oder …

Die Tage nehmen, wie sie kommen

Freitagmorgen, ich stand am Fenster. Mit der zweiten Tasse Tee in der Hand hörte ich den Moderatoren zu, schaute in Richtung Katzenkino und Schule. Alle Anzeichen versprachen einen sonnigen Frühlingstag. Ich war spät dran, eilte jedoch nicht, hielt inne. Es lief ein Lied von Herbert Grönemeyer – der Weg (Link) – das er nach dem Tod seiner Frau schrieb.

Ich kam zu spät in den Unterricht.

Freitagmittag, ich stand wieder an einem Fenster. Mit der dritten und vierten Tasse Tee in der Hand verfolgte ich das Kommen und Gehen zum Schnelltestzentrum neben der Schule, bevor ich mich ans Aufräumen und Vorbereiten für die kommende Schulwoche machte. Wieder eine Woche geschafft und ich ging sie in Gedanken durch.

Inzwischen habe ich meine Urkunde erhalten, mit der es offiziell ist, dass ich mich Ende Juli aus dem aktiven Schuldienst verabschiede und auf meinen Wunsch in den Ruhestand versetzt werde.

Mit meinen 9ern wurde die Näharbeit weiter gebracht, nachdem wir die Nähmaschinen wieder funktionstüchtig gemacht hatten. Überzeugt sind sie nicht, dass daraus noch ein Gemeinschaftsprojekt werden soll. Ich bin es dagegen schon!

Mit den 10ern ging es nach der praktischen Prüfung in Technik an die Vorbereitung für die schriftliche Prüfung. Da ist nach den Coronamonaten ein echter Crashkurs nötig und ich hole noch einmal alles aus mir und meinen Unterlagen heraus, um diese tolle Gruppe optimal vorzubereiten. So anstrengend die Vorbereitung zu den Themenbereichen ist, kann ich davon ausgehen, dass die Informationen wie ein Schwamm aufgesogen werden und nicht im Sand verlaufen. Nach dem Unterricht vor Ort kommen weitere Fragen und der Austausch online über Teams.

Ganz anders lief es bei meinen schwierigen Jungs. Meine lange Abwesenheit hat ihnen nicht gut getan. Gleichzeitig wurde ihnen in dieser Woche bewusst, dass ich nächstes Schuljahr nicht mehr bei ihnen sein werde, demnach kein Technik sein wird, kein Arbeiten im Schulgarten. Die Jungs einzufangen war anspruchsvoll und trotzdem stand nach fünf Unterrichtsstunden die selbst gebaute Kompostmiete.

Was war ich froh, dass sie den Transport vom Werkraum in den Schulgarten überlebte! 😀 Zeitweise hatte ich die Befürchtung, demnächst bekommt das Teil Flugstunden und kann schon auf dem Weg entsorgt werden.
Was war ich froh, dass es keine Beschwerden gab, denn die lautstarke Umgangssprache der Jungs war wieder einmal extrem gewöhnungsbedürftig.
Die Jungs hatten zumindest ihren Spaß! Die reichliche Anzahl an verwendeten Schrauben – weil jeder mal den Akkuschrauber benutzen wollte – sorgten für ausreichend Stabilität, um das Bauwerk wenigstens windschief an Ort und Stelle zu bekommen.

Nach dieser Herausforderung tat eine Pause gut. Die Tasse Kaffee wartete schon auf mich. Ich brauchte mich nur noch hinsetzen.

Meine Utensilien für meinen Garten bekam ich zwar unverbogen transportiert, dafür handelte ich mir ein paar Malessen ein. Bei der Arbeit Handschuhe zu tragen macht Sinn und meistens trage ich auch welche, nicht nur im Garten. Meistens. Einmal eben nicht und an diesem Mal machte ich keine halben Sachen. Mir rutschte eine Euro-Palette, als ich sie ins Auto heben wollte, aus den Händen. Seitdem müssen Splitter gezogen werden, wovon es selbst Ende der Woche noch einige gibt, die sich aus der Haut herausarbeiten.
Die nächste Palette transportierte ich sicher behandschuht!

Erfreuliches.
Dazu gehörte das kleine Familientreffen am Geburtstag des Lieblingsmenschen, der erste ohne die Lieblingsmenschin. Dieser Monat ohne sie war nicht einfach – sie fehlt!
Zuwendung tut gut und liebevolle Überraschungen.
Seit vielen Wochen nicht mehr gesehen, radelte eine Freundin bei mir im Garten vorbei, im Gepäck alles was ein Kaffeepäuschen im sonnigen Frühlingsgrün braucht.

Eine weitere Überraschung kam mit der Post. Danke Nina! Die Kerze muss nach der Unruhe beim Transport noch etwas ruhen, zum Glück ist sie heil geblieben.

Hier breche ich nun ab, auch wenn mir noch einiges durch den Kopf geht über das ich gerne berichtet hätte. Dazu fehlt mir heute die Zeit. Es ist Pächterversammlung in der Kleingartenanlage und ich möchte mein erstes Treffen nicht versäumen.

Gelesen. Gesehen. Angehört.

Erste US-Außenministerin: Madeleine Albright gestorben – ein Bericht bei ZDFheute, vom 23.03.2022
Im Auslandjournal des ZDf, wurde am gleichen Tag ein kurzer Rückblick auf ihr Leben gezeigt, mit zwei Zitaten von Madeleine Albright:
am Anfang …
„Putin ist klein und bleich, kalt, fast wie ein Reptil“
– so schrieb sie vor 22 Jahren bei ihrem ersten Treffen mit Putin.

… und am Ende
„In der Hölle ist ein besonderer Ort für Frauen, die sich nicht helfen!“
– Zitat während ihrer Unterstützung Hilary Clintons bei ihrem Wahlkampf zur Präsidentschaft.

Licht aus zum Schutz der Erde: Weltweit wird das Licht ausgeschaltet – ein Bericht in N-TV, vom 26.03.2022

Eselsbrücken, Abschaffung, Unfallrisiko: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Zeitumstellung 2022 – ein Artikel im Tagesspiegel, vom 25.03.2022

Ohrwurm der Woche.

Ein Stück von U2, ohne dass es Bono singt, dafür Johnny Cash – nicht neu, von 1993, lange nicht mehr gehört.

Bis die Tage,


Verlinkt mit dem Samstagsplausch von Andrea Karminrot.

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Kommentare

Für die Jungs und den Schulgarten ist es wirklich schade. Mit der Gartenbetreuung generell sieht es besser aus, inzwischen ist eine Nachfolge in Sicht.
Bis zum Sommer ist es noch eine Weile hin und die Zeit werde ich mit den Jungs nutzen.
Viele liebe Grüße,
Karin

Jetzt hat mich deine Erinnerung an die Earthhour vom Kommentieren abgebracht.
Danke für deine lieben Worte bei mir, es geht inzwischen aufwärts, zumindest im Rahmen der Möglichkeiten mit zwei Vorerkrankungen.
Dass das ein besonders harter Geburtstag war, kann ich mir denken: Meine Mutter hatte ihren vier Tage nach Vaters Tod. Immerhin ist eine Entlastung im Sommer in Sicht, das ist schon was. Du bist ja wirklich auch eine sehr engagierte Lehrerin, finde ich.
Pass gut auf dich auf!
Herzlich
Astrid

Mir ist die Earth Hour selbst beinahe durchgegangen, nur hat sie mich dieses Mal eher deprimiert. Alleine im Dunkel zu sitzen, wenn in der Nachbarschaft Festbeleuchtung strahlt, tat mir nicht gut. Das muss ich das nächste Mal anders machen.
Danke für dein Lob unter Kolleginnen. Solange ich gesund bleibe erledige ich meinen Unterricht bis zum letzten Schultag in gewohnter Manier. Zwar leeren sich so langsam meine über die Jahre in Besitz genommenen Schränke und Regale, aber wenn ich in die Klassen gehe versuche ich voll für die SchülerInnen da zu sein, 65 Arbeitstage noch.
Viele liebe Grüße,
Karin

Meine Güte, alles steht Kopf, wenn nach Verlust gleich ein Geburtstag des Menschen ansteht, der jetzt plötzlich diesen ohne seinen anderen Teil feiern muss. Und für Dich (und die anderen Kinder) eine zweifache Herausforderung
Ich finde es immer am interessantesten, wenn Du von Deinen schwierigen Jungs berichtest.
Und bestimmt werden Deine letzten Schultage noch ganz besonders schön. Dass Du und die Kinder noch Mal alles rausholt für Prüfungen, ist super bei so erschwerten Bedingungen. Wie schwierig das ist, habe ich vor einem Jahr als Mutter gesehen.
Ich hoffe, Kerzenlicht und Bienenwachstücher begleiten Dich etwas, wenn es wieder dunkel wird.
Liebe Grüße und hoffentlich eine gute Versammlung gehabt zu haben und noch einen schönen Sonntag!
Nina

Pächterversammlungen sind wie Eigentumsversammlungen von Wohnungsbesitzern oder Jahreshauptversammlungen bei anderen Vereinen eine Sache für sich. Frau würde sich am liebsten davor drücken, aber sie sind als demokratisches Instrument einfach wichtig. Gut, wenn sie dann vorüber sind. 😀
Die Jungs sind ein interessanter Haufen, einzeln nette Kerle (Ausnahmen gibt es immer), alle mit Geschichten und Erfahrungen, die Kopfschütteln machen. Schwierig wird es, wenn sie zusammen kommen und z.B. Schule von ihnen erwartet wird. Die Gruppen sind nicht ohne Grund klein gehalten.
Für Kerzenlicht wird es auch Sommerabende geben um die Stimmung aufzuhellen.
Viele liebe Grüße,
Karin

das lied von herbert grönemeyer hat mich wieder zu tränen gerührt. kein wunder, dass du nicht pünktlich zur schule gekommen bist.
schade, dass deine „schwierigen“ jungs nicht wieder eine lehrerin wie dich bekommen, sie haben es sicher trotz aller probleme verdient, ernst genommen zu werden. dass der schulgarten weiterlaufen wird, ist sicher für dich eine freude. und picknick im eigenen garten ganz bestimmt auch!!
liebe grüße
mano

Es wäre schön, wenn ich den Schulgarten mit gutem Gewissen abgeben könnte um sich voll meinem eigenen Gartenprojekt widmen zu können. Ich hoffe auf eine Übergangszeit als Beratung um danach die Schlüssel abzugeben. Zumindest meine Pflanzen sind fast alle schon umgezogen. Im Frühsommer wird neu gepflanzt und dann sehe ich weiter.
Eine eigene Parzelle ist schon etwas ganz anderes!
Viele liebe Grüße,
Karin

Es tut allen gut, die Hände in die Erde zu stecken. Ich wünschte mir Gartenarbeit für die energiegeladenen Jugendlichen, die lieber arbeiten, als im Schulbank zu sitzen.

Geniess deinen Garten!

Regula

Habt ihr keine Gelegenheit auch einmal den Unterricht nach draußen zu verlegen?
Gut fand ich in einer Schule die Idee von mobilen Kistenbeeten. Diese durften sich Klassen anlegen, wenn sie, bzw. die KollegInnen, das wollten. Die Mögklichkeit einzelne Kinder mal aus dem Unterricht hinaus zum Gießen zu schicken, oder ein paar Kräuter zu holen, Unkraut zu zupfen, … hat seine Vorteile.
Liebe Grüße,
Karin

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