oder …

Auch eine lange Woche hat ein Ende

Die Luxuszeit von meinem Wochenende beginnt Freitagnachmittag, wenn ich die Schultüre hinter mir zufallen höre. Dienstlaptop heruntergefahren, alles erledigt und aufgeräumt, einschließlich den Einträgen im Klassenbuch, wie sonstigem Papierkram. Freitagnachmittag zählt noch nicht richtig zum Wochenende, ist noch Arbeitstag, die Freizeit vor Augen. Mich erreichte in dem Glücksmoment dieses Freitags ein Anruf einer Lehrerfreundin und Ex-Kollegin, die just in dem Moment auch die Schultüre hinter sich schloss: „Lust auf eine Tasse Kaffee?“ – Sicher doch! Gemeinsam ließ sich die (Schul-)Woche viel angenehmer rekapitulieren, mit ganz viel Fachgesimpel.

Interessant waren ganz besonders die Ergebnisse des heutigen Schultags aus dem Faserprojekt meiner 7er. Nach der Brennnessel als Bastfaser hatte ich Leinen bzw. Flachs auf der Liste gehabt. Bloß blöd, hatte man doch die Wiese mit den Lein gerade frisch gemäht gehabt, als ich Zeit hatte sammeln zu gehen. So konnte ich nur noch kümmerliche Reste zusammenkratzen. Das reichte nur zum Zeigen aber nicht zum etwas daraus probieren.

Deshalb ging es gleich zur Baumwolle. Schwierig bei einem bocklosen Haufen Pubertiere in den letzten Stunden der Unterrichtswoche, die lieber kochen wollen, bzw. kochen lassen, … 😉 … die Überzeugungskurve ohne schlingern hinzukriegen.
Die Faszination eine Baumwollkapsel in der Hand zu haben, aus der auch ein T-Shirt hätte entstehen können, machte dann etwas in deren Köpfen. Mit einer unerwarteten Ruhe und Geduld zupfte schließlich jedes seine Fasern aus der Kapsel, fühlte die Weichheit, spürte das Material und schließlich die Kerne!

Weniger Überzeugungsarbeit musste ich in den anderen Stunden der Woche leisten. Die 9er wollten ihre Vorstecher fertigstellen. Etwas unter Zeitdruck reichte es bei vielen nicht noch einmal über die Griffe zu schleifen, damit die Spuren ihrer von der Metallbearbeitung dunklen Finger entfernt werden konnten. Doch fast alle Werkzeuge wurden so fertig, dass sie funktionstüchtig eingesetzt werden können.

Die 8er sind immer noch mit Eifer an ihren Baukästen. Alle hatten schließlich ein fahrendes Automodell, mit Motor und Getriebe, am Laufen, Wettrennen inklusive. Nächste Woche steht ein anderes Maschinenmodell auf dem Plan.

Vom Kunstunterricht hoffe ich nächste Woche ein paar fertige Werke vorstellen zu können. In diesem Fach musste ich kurzfristig auf ein anderes Thema schwenken. Die Ökofarben, die ich vor drei Wochen angerührt hatte, begannen über Nacht zu schimmeln. YUCK! Diese Anschaffung hat sich nicht gelohnt!
Bessere Voraussetzungen gab es für meine schwierigen Jungs. Das Wetter hielt sich nicht immer an die Vorhersagen und so ging es mit den willigen unter ihnen immer wieder in den Garten. Es wurde ein hartes Stück (Schwer-)Arbeit. Ich werde im Schulgarten-Newsletter darüber berichten.

Zuhause ging es mit der Schule weiter. Korrekturen von Prüfungsarbeiten lagen an, zusammen mit Nachtschichten und Unterstützung.

Das Bündel erwies sich als die korrekturunfreundlichste Ausgabe meiner Lehrerlaufbahn! Ich räumte schließlich den Küchentisch leer, um bei dieser Aufgabe nicht die Übersicht zu verlieren.

Angus passte die restlichen Nachtstunden immer brav auf die Arbeiten auf.

Pünktlich fertig geworden war Platz auf dem Tisch eine Pflanzenlieferung auszupacken. Die Unterstützer waren nicht weit. 😀

Zum Essen bin ich auf diesem Platz sowieso wenig gekommen. Meist gab es wieder nur zwischendurch etwas auf die Hand oder an meinem Arbeitsplatz in der Schule.

Da ist sie nun wieder, die Normalität. Ich finde die Rückkehr in diese Art von „normalen“ Berufsalltag, ohne Reflektion was gut lief (nicht nur was in die Hose ging) in den letzten Monaten, gelinde gesagt zum k*tzen! Es war nicht alles schlecht, und ich wäre dankbar, wenn das mal wieder Inhalt der Berichterstattung in den Medien wäre. Stattdessen wird Homeschooling durch die Art der Berichte über eine Studie des ifo-Instituts in München ein vernichtenden Urteil übergestülpt und der Wechselunterricht kam bei vielen gleich mit in den Sack.
In meiner Schule empfanden wir im Kollegium, darunter auch Eltern mit schulpflichtigen Kindern, diese Ausführungen als Ohrfeige.
Bevor das große „Ja, aber …“ in den Kommentaren kommt, empfehle ich die Lektüre der besagten Studie (Link im nächsten Absatz). Sie IST interessant und nicht in ein paar wenigen Worten zusammenzufassen, wie es vor allem die Boulevard-Blättchen suggerieren.

Gelesen. Gesehen. Angehört.

Bildung erneut im Lockdown: Wie verbrachten Schulkinder die Schulschließungen Anfang 2021? – das Forschungsergebnis, S. 36 bis 52 als pdf, der ifo aus ifo Schnelldienst 5/2021, 74. Jahrgang, vom 12.05.2021

Das große Schmelzen: Antarktis vor dem Kippen – ein Artikel in der TAZ, vom 22.06.2021

Was die NASA mit den Venus-Missionen plant – und warum sie so spannend sind – ein Bericht von heise online, vom 14.06.2021

Nasa entdeckt „eigenartigen“ Planeten – mit einem besonderem Phänomen – ein Beitrag der Frankfurter Rundschau, vom 23.06.2021

Ohrwurm der Woche

Schönes Wochenende und
bis die Tage,


Verlinkt mit dem Samstagsplausch von Andrea Karminrot

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Kommentare

In diesen Zeiten Schule zu machen, ist wirklich kein Zuckerschlecken. Da muss sich die Bildungspolitik aber auch die Kritik gefallen lassen, viel verschlafen zu haben. Aber aufgewacht, sind sie, so mein persönlicher Eindruck, immer noch nicht.
Bei dir sieht es nach heftigem Endspurt vor dem Sommer aus. Viel Kraft brauchst du da. Die beiden grauen Herren würde ja gern hilfreich eingreifen. (sie sind ja schließlich die angenehme Variante dieser grauen Gestalten).
Liebe Grüße
Andrea

Meine zwei Graubären sind mir tatsächlich lieber als die Zeitdiebe, die wieder unterwegs sind. Vier Wochen noch bis der stetig wachsende Terminplan abgearbeitet ist. Vorgaben, wie es nach den Sommerferien weiter gehen soll, damit geplant werden kann … fehlen. Nicht wundern. Weitermachen.
Liebe Grüße,
Karin

Ich hab die Studie aus Selbstfürsorge erst gar nicht gelesen, ich hätte mich nur wieder echauffiert. Und das Metier ist ja auch für mich ein für alle Male erledigt. Als Alternative dann ins Schwurblermilieu einzutauchen war aber auch kein guter Griff.-
Warum muss man immer in der Jahreszeit, in der frau draußen sein kann, diese Arbeiten nachschauen? Fand ich bei uns Beiden auch immer schlimm, denn dadurch konnten wir nie die vielen Geburtstage & sonstigen Feste in dem Umfang feiern, wie wir wollten.
Ich hoffe, du hast es heil an Leib & Seele überstanden!
Alles Liebe!
Astrid

Diese Korrekturen sind durch. Jetzt kommen die Klassenkonferenzen, das große Rechnen, die Notenkonferenzen, die Fachkonferenzen für das neue Schuljahr, und und und, alles in alter Manier und vor Ort. Alles beim alten, außer die Masken auf den Fluren und Schnelltests zwei Mal die Woche.
Ich trage weiterhin meine Maske im Klassenzimmer, lasse die Fenster und Türen auf, denn ich traue der ganzen Sache nicht.
Alles Liebe,
Karin

Eigentlich sind die Wochen immer gleich lang! Du hattest aber anscheinend eine Vollbepackte mit Arbeit und Anwesenheit, da kommt doch so eine Einladung für einen Kaffee gerade richtig. Wie gut, dass du zu Hause Helfer hast.
L G Pia

😀 Die Frage: „Lust auf einen Kaffee?“ hieß, übersetzt, „Wenn es für dich ok ist komme ich auf eine Tasse Kaffee vorbei!“ Mein Zuhause liegt auf dem Heimweg der Freundin. 😀
Liebe Grüße,
Karin

Schwierig war es auf beiden Seiten. Nur wenn ich sehe, wie mager die Leistung der Politiker dabei war und was dagegen die meisten an den Schulen geleistet haben… Dein Brennessel, Leinen und Baumwolle Projekt mag ich sehr.
Ich hoffe, Du hast nach dem ganzen Stress nun ein ruhiges Wochenende und sende liebe Grüße
Nina

Als nächstes ist dann Schafwolle dran, mit richtig riechender, frisch geschorener Wolle, die noch gesäubert werden muss. Ich bin gespannt, wie auf das, was diese Woche noch bringen wird.
Liebe Grüße,
Karin

Weiß, was Du meinst. Ja, das kommt mir bekannt vor. Es war eine schöne Zeit und jetzt ist eine andere für mich/ für uns aufgesperrt worden.

Alles Gute für Dich.

Liebe Grüßle zum Sonntag von Heidrun

Sicher werde ich auch etwas vermissen, wenn die Zeit des Unterrichtens vorbei ist, doch ganz sicher nicht die Korrekturen und das Drumherum des ganzen Bildungssystems. Bis das soweit ist hangele ich mich von Wochenende zu Wochenende.
Viele Grüße,
Karin

Die Vorstecher sind super. Wie hast du die Spitze gemacht? Geschliffen?

Von Metall habe ich leider keine grosse Ahnung.

Alles Gute für den Endspurt wünsche ich dir.

Liebe Grüsse von Regula

Die Spitzen der Vorstecher sind nicht das Problem. die sind gefeilt und dann geschliffen worden. Schwierig ist es den Rundstahl in den Griffen sicher zu befestigen – die Lösung ist im Wochenrückblick 19 zu sehen.
Alles Gute für deinen Enspurt, mit Grüßen,
Karin

ich will auch zu dir in die Schule gehen und den ganzen Tag coole Sachen machen!

meine Kinder haben den Distanzunterricht hervorragend gemeistert und die allermeisten Lehrer haben alles sehr gut gemacht – geärgert haben wir uns hauptsächlich über die Entscheidungen der Herrschaften aus München…

Den Ärger verstehe und teile ich. Momentan wundere ich mich bzw. frage ich mich, wie es im neuen Schuljahr weiter gehen wird. So ein wenig planen, für das was kommen könnte – nicht zwangsläufig muss – wäre hilfreich.
Ich werde meinen SchülerInnen erzählen, wenn sie keinen Bock haben weiterzumachen, dass andere gerne ihren Platz einnehmen würden. 😉
Liebe Grüße,
Karin

Nein, das Lehrer-sein ist kein Zuckerschlecken, da muss ich Andrea zustimmen. Ich finde diese Arbeit immer wieder bewundernswert – erst recht in Corona-Zeiten. Und du machst das Ganze noch mit ganz viel Enthusiasmus.
Bei den Naturfarben habe ich auch schon die Erfahrung des Schimmelns gemacht. Schade drum. Ich freue mich trotzdem schon auf deine Vorstellung der Kunstwerke.
Nun wünsche ich dir noch eine gute Woche mit viel Kraft und Durchhaltevermögen!
Vielen Dank auch für deine Erklärungen zu den Waldblumen bei mir!!!
Liebe Grüße
Ingrid

Die KünstlerInnen waren heute nicht gut drauf, deshalb kam ich nicht zum fotografieren. Dass nach Klassenarbeiten immer die Lehrer, die die Klasse im Anschluss unterrichten, büßen müssen machte mir heute keine Freude (den Kindern auch nicht). Mal sehen, was mir die andere Kunstklasse bescheren wird.
Meine eigenen Pflanzenfarben friere ich ein, wenn ich Reste habe oder sie nicht ganz aufbrauche. Aber bei dieser Anrührfarbe weiß ich jetzt, warum sie diese nur in kleinen Beuteln anbieten.
Ich wünsche dir auch eine gute Woche und hoffe ihr seid heute Abend trockenen Fußes nach dem Regen geblieben,
viele Grüße,
Karin

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