oder …

Soviel Normalität wie möglich, für den Endspurt des Schuljahrs

Was in meinem Kopf kreiste
Normalität. Ich mag den Begriff nicht mehr hören, ebenso wenig Aussagen, wie: „Das muss endlich vorbei sein.“, oder „Ich will mein altes Leben zurück!“ Was soll das heißen, normal?
Letztlich muss jeder für sich entscheiden, wie er/sie mit der augenblicklichen Situation umgeht. Noch komme ich gut damit aus, das „dürfen“ und „können“, durch die gelockerten Pandemiemaßnahmen, nicht auszureizen. Kino, die Veranstaltungen vom Kulturverein, Konzerte, Urlaub, Familientreffen, … muss ich noch nicht alles auf einmal haben. Die Familie über den kleinen Teich zu besuchen ist durch die Delta-Variante momentan noch richtig schwierig. Bleibt es beim step by step.
Mir reicht erst einmal das vorgeschriebene Menschenbad im Berufsalltag, durch das ich in dieser Woche noch schneller, als üblich, der Erholung aus den Ferien verlustig geworden bin. Wusch, weg! Geniales Ei, die Schule direkt nach den Pfingstferien wieder auf Regelbetrieb, unter Pandemiebedingungen, umzustellen, zeitgleich mit der Durchführung der Abschlussprüfungen. Hauptsache Normalität.
Auf Knopfdruck altogether now, so wie es bis Mitte Dezember lief. Nach der ersten Stunde sagte die erste Schülerin, dass sie wieder Wechselunterricht haben möchte – die Klasse zu voll, alles zu laut und überhaupt: „Sie haben gar keine Zeit für mich!“. Bis zum Unterrichtsschluss äußerten sich noch andere SchülerInnen ähnlich. Ernüchterung nach acht Unterrichtsstunden. Ich kann ihnen nur zustimmen. Meine Füße sahen das ebenso. Der kranke Fuß meuterte und der andere meuterte aus Solidarität gleich mit.
Hauptsache Normalität?
Ich hätte mir gewünscht, dass wenigstens ein klein wenig aus den Erfahrungen der vergangenen Wochen und Monate in ein „Nachher“ bzw. dem Neuanfang einfließen würde. Das ist jedoch weder gefragt oder vorgesehen. Es lief doch vorher in der Schule „so gut“. Für die nächsten Jahre wird das Virus für Miseren herhalten dürfen, die eh schon bestanden. Da bin ich mir sicher.
Ganz ehrlich, ich will die alte Normalität nicht wieder haben. Früher war nicht alles gut und schon gar nicht besser. In der Schulpolitik schon gleich gar nicht.

Die Woche im Rückblick und in Auszügen
Unterrichtsvorbereitungen prägten das vergangene Wochenende. Mein Ziel, den SchülerInnen so viel Praxis wie möglich anzubieten, war aufwendiger als gedacht. Um meine Pläne hinzubekommen stand ich noch am Sonntag in den Fachräumen, bis ich fertig für Plan A und Plan B war. Vor allem wusste ich ja auch nicht, wie die Kinder drauf sein würden, wenn sie wieder alle zusammen sind. Kunstunterricht am Nachmittag ist sowieso immer eine Ansage.

Montagsfrühstück

Der Start
In Technik kamen die großen Jungs ins Spielen. Köstlich! 😀 Den Fachraum betraten sie noch als coole Socken – Frau Be, was geht? – um später, mit ihren selbstgebauten, motorisierten Fahrzeugen Wettrennen zu veranstalten. Steht nicht ganz so im Bildungsplan, doch der kann mich mal. Einfach so zurück zur Tagesordnung – wie früher, in der guten alten Zeit bevor Corinna zu uns kam – bloß, weil jetzt fast alles wieder gut und sicher sein soll, will ich nicht mitmachen. In diesem Bereich reize ich meine Möglichkeiten bis aufs Äußerste aus.

Besser so, …

…, als eben anders.

Dienstag begannen die Prüfungen für die 9er und 10er. Prüfungsbeginn eine halbe Stunde früher, als üblich, damit die zusätzliche Bonuszeit in den Zeitrahmen passte. Ordnung muss sein. Den Schlafrhythmus (vieler) der Pubertierenden hat dabei wohl keiner berücksichtigt, abgesehen von meinem.

Mathe war nicht ganz so einfach. Manchen SchülerInnen stand hinterher der Frust ins Gesicht geschrieben. In meinem sah es nicht besser aus. Mir war der Anblick vom Schulgarten aufs Gemüt geschlagen. Was das kurze Unwetter am Wochenanfang von der Gemüseanzucht übrig gelassen hatte, vernichtete in einer Nacht eine Schneckeninvasion! Chilis, Paprika, Kürbis, Tomaten, Bohnen, Erbsen, … weg! Zum heulen! Nächste Woche, wenn ich wieder Gartenkinder haben werde, wollte ich die restliche Pflanzen in die Erde setzen. So frustrierend, dass mir die zertöpperte Schnapsflasche im Kräuterbeet schon nichts mehr ausmachte.

An die Kapuzinerkresse und den Beinwell gingen die Schleimer nicht!

Dann ritt mich mein inneres Teufelchen, oder besser, es flog mir im Wolllager eine Motte um die Nase. Mist. Mist. MIST, vor allem, weil, wo eine ist wohnt gerne noch mit einer ganzen Familie zu rechnen ist! Meine unterrichtsfreien Stunden in der Wochenmitte nutzte ich deshalb für eine Einkaufstour zum Möbelriesen. Ich wollte nicht mit einem neuen Plastikboxensystem anfangen, nachdem ich mit dem dieser Marke angefangen hatte. Im Grunde verlief dieser Ausflug gut, hätte jedoch etwas erfolgreicher sein können. Boxen in meiner Wunschgröße gab es in Massen. Es fehlten die Deckel. Die waren aus! ARGH! Was will ich mit Boxen ohne Deckel? Nahm ich eben noch ein paar der größeren mit, inklusive Deckel. Den, angeblich vorrätigen, Teppich gab es ebenso wenig und so verließ ich das, mit verflixt vielen Schritten durchlaufene, Gebäude mit überschaubaren Einkäufen, die ich eher aus Frust mitgenommen hatte. Wieder was dazu gelernt und die nächste Gärtnerei aufgesucht.

Ende der Schulwoche
Zum Schulwochenschluss nutzte ich das gute Wetter, um mit meiner AES-Klasse etwas Experimental-Archäologie auszuprobieren. Steht nicht im Bildungsplan, aber – ich wiederhole mich – der kann mich mal. Nach den vielen Monaten Trockenkurs, mit teilweise nicht messbaren Leistungen, will ich Taten sehen, ohne Klassenarbeiten zu schreiben. Momentanes Thema sind Textilien, deren Fasern, wie man sie unterscheidet, pflegt, benutzt, wo das T-Shirt herkommt, usw., um dann irgendwann eine Kleinigkeit zu nähen. Im Homeschooling habe ich die Kinder weben lassen, damit sie wenigstens etwas praktisches machen konnten. Nun möchte ich sie an Fasern heranbringen und dazu arbeiteten wir die drei Stunden im Freien.
Erste Aufgabe: Sich in einen Urmenschen hineinzuversetzen und eine Schnur herstellen, mit dem was sie vor sich haben (Schulgarten) und ihren Händen als Werkzeuge.
Auf diesem Weg kamen die hohen Gräser aus dem Außenbeet des alten Schulgartens. Hätte mehr sein können. 😀

Bei der zweiten Aufgabe wurden die Schnüre benutzt um Grasbündel zu einer Fläche zusammenzubinden.

Dann kam Brennnessel dran, zuerst mit einem lauten IGITT und später mit Begeisterung – ok, nicht bei allen, aber diese gibt es immer. Interessant fand ich, welches Wissen über die Brennnessel manche Kinder hatten! So wussten einige, dass damit gekocht werden kann. Nun nutzten wir sie als Fasermaterial. Eins der ältesten fossilen Textilreste besteht tatsächlich aus Brennnesselfasern. Zwar ist es nicht so einfach daran zu kommen, doch das Prinzip kann recht einfach mit Kindern ausprobiert werden. Ich werde das Verfahren in einem extra Blogpost noch beschreiben.

Die längste Schnur aus einem Brennnesselstengel maß gut zwei Meter!

Zurück zuhause war ich platt. Einmal im Sessel gelandet schaltete ich den Fernseher ein, um Nachrichten zu schauen, bevor ich mich zu den Alltagroutinen aufraffen wollte. Die Augen fielen zu, der Tee wurde kalt und ich glaubte mich kurz in einer anderen Zeit. Flimmerte da in einem halbwachen Moment etwa „Drei Haselnüsse …“ über den Bildschirm? Als ich aufwachte lief gerade der Abspann, also hatte ich nicht geträumt und war noch bei Sinnen. Witzbold, dieser Programmplaner, der sich das als Ersatz zum im Programmheft stehende Filmchen einfallen ließ.

Gelesen. Gesehen. Angehört.

Außer Fachliteratur nichts. Auch keine Blogposts. Die Wochenzeitungen liegen bereit, um als Einwickelpapier oder Malunterlage in die nächste Nutzungsstufe zu wandern.

Ohrwürmer der Woche

Macht’s gut und … – falls ich keine Lust habe am heutigen 12ten noch bei 12 von 12, bei Caro von Draußen nur Kännchen, mitzumachen – ein schönes Wochenende.

Bis die Tage,


Verlinkt mit dem Samstagsplausch von Andrea Karminrot

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Kommentare

Den Begriff „Normalität“ und das Geschrei danach, mag ich auch nicht mehr hören. „Normalität“ ist ständig im Wandel. Man kann ja durchaus etwas aus den vergangenen Monaten lernen, mitnehmen, als Veränderungsansatz nutzen… SOOO toll war die so geliebte vergangene Normalität nämlich gar nicht. Die Fehler und Versäumnisse der guten alten normalen Zeit samt ihrer Folgen haben wir ja auch zu spüren bekommen.

Die Brennesselschnüre sind klasse. Muss ich unseren Amerikanern mal erzählen. Wäre ein feines Homeschooling-Projekt.
Liebe Grüße
Andrea

Ich bin nun gespannt, wie sich unsere neue Kultusministerin machen wird. Der Ton in ihrem Antrittschreiben war schon deutlich anders.
Die Brennnessel ist eine dankbare Pflanze auch für das Homeschooling, nicht nur als Faserlieferant.
Liebe Grüße,
Karin

Diese Brennnesselfasern habe ich als Kind auch gerne gewonnen und verarbeitet. Komisch, wie das in einem drin steckt, oder?-
Ja, normal, ich kann es nicht mehr hören. Und mein altes Leben? Na ja, ich hätte gerne etwas mehr Mobilität.
Das die Kinder merken, wie hart es in den großen Klassen ist, habe ich jetzt schon öfter gehört, auch von Klagen bei Pädiatern & Kindertherapeuten. Ich kann es mir vorstellen. Ich habe immer Schüler*innen gehabt, die viel mehr Ruhe brauchten. Mein eigenes Kind gehörte auch dazu. Aber die Hoffnung, dass da was anders wird, habe ich inzwischen aufgegeben. Ich hoffe nur, dass die junge Generation bald begreift, wie sie von den Alten und den konservativen Parteien verarscht und um ihre Zukunft gebracht werden.
Dir wünsche ich eine weniger harte Woche & ein erholsames Wochenende!
Astrid

Ich stimme dir zu! Es ist auch meine Erfahrung, dass viele SchülerInnen mehr Ruhe benötigen und sich das auch wünschen! Meine Kinder gehörten ebenso zu dieser Gruppe.
Sorgen mache ich mir über die Aufhebung der Maskenpflicht in den Schulen ab nächsten Montag – keine Masken auf den Schulhöfen und in den Klassenzimmern, aber in den Fluren.
Mich hat jetzt erst einmal die zweite Impfung etwas lahm gelegt, zusammen mit einem gereizten Ischiasnerv.
Liebe Grüße,
Karin

Brennnesseln stehen hier mannshoch. Ich hab Faserhanf gepflanzt. Und ja, da bin ich voll dabei, etwas Praktisches, Taten wollen wir sehen. 🙂 Liebe Grüsse von Regula

Der Anbau von Faserhanf muss in Deutschland im Bundesamt für Landwirtschaft für Ernährung gemeldet werden, sonst hätte ich es damit auch schon probiert. Dann doch lieber Brennnessel.
Viele Grüße,
Karin

Tut mir leid um eure Jungpflanzen, ja so ein Gewitter kann in wenigen Minuten hart erarbeitets verrichten. Aber nach dem Aufräumen mit neuem Elan weiter machen heisst da die Devise. Das mit dem Fasermaterial der Brennnessel habe ich nicht gewusst und wieder etwas gelernt.
L G Pia

Auf den Brennessel Beitrag bin ich sehr gespannt! Natürlich kennt man die Faser, aber ich konnte noch nirgends mehr über die Herstellung lesen. Leider komm ich nur an wenig Brennesseln, zu früh werden sie an den Rändern überall gemäht. (Egal wie viel Raupen drin sitzen)
Die Kinder und Jugendlichen sind schon lange in einem anderen „Normal“. Die Bürokraten leider gar nicht. Und was heißt eh *Normal“?!
Hoffe, Du schaffst die Zeit noch. Hier gibt es nächste Woche die Abi Zeugnisse überreicht. Das war ein echt unnormales? letztes Schuljahr.
Genug gefaselt!
Hoffe, diese Woche war besser
Ganz liebe Grüße
Nina

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