oder …

2020 #43

Mit dem kranken, meckernden Fuß morgens unterwegs zur Schule war ich nicht die Schnellste. Bei einer Seitentür des Schulgebäudes musste aus Schutzgründen der Zugang von außen nach innen eingestellt werden, wodurch sich mein Schulweg verlängert. Mehr Zeit zum Grübeln, was mich an jedem neuen Schultag erwarten wird.

Ich hatte mir vorgenommen bei einem Inzidenzwert von 50 die Reißleine zu ziehen und mich in den Homeschooling-Bereich zurückzuziehen. Das machte ich nicht. Mittags zweifelte ich regelmäßig an mir und am ganzen System. Nachmittags, wenn ich nachhause humpelte, war ich erst einmal froh einen weiteren Arbeitstag mit SchülerInnenpräsenz vollbracht zu haben.

Ein-Linien-Zeichnungen: Mensch in Bewegung (Klasse 8), erste Übungen
Schlüsselanhänger aus Aluminiumblech, Klasse 9

Um mich bei der Stange zu halten versuchte ich mir Gutes zu tun, auch wenn manchmal die Zeit dafür zu knapp schien oder der Inhalt des Geldbeutels noch für anderes hätte reichen sollen. Egal! (Meine Rede und Regel – Egal ist Käse! – außer Kraft gesetzt!)

Ich nahm mir die Zeit stehen zu bleiben um den Blick in einer hübsch belaubte Baumkrone verweilen zu lassen, oder doch noch ein paar Kastanien als dust collector zu sammeln.

Die Woche, in Auszügen

Schreckminuten zum Wochenbeginn. Onkel-Katerchen ging es nicht gut. Er hatte Blut im Urin und ich einen vollen Schultag vor mir. In meiner Verzweiflung, gepaart mit Aktionismus, packte ich dem armen Kerl ein aufgewärmtes Kirschkernkissen auf den unteren Rücken, bevor ich mich auf meinen Schulweg machte. In meinen Hohlstunden wärmte und wechselte ich die Kissen und hoffte auf Besserung, suchte seine Notfallmedikamente zusammen, hoffte um einen Tierarztbesuch herum zu kommen, da ich einen Arzttermin hatte.

Zahnarztbesuch nach rappelvollem Schultag, wie Sorgenminuten, um die provisorisch reparierte Zahnkrone wieder eingesetzt zu bekommen.
Belohnung: Stippvisite in einem Lieblingsgeschäft, das ich seit Monaten nicht mehr besucht hatte – handgefertigte Waren und ausgefallene Wohnkultur – und kam mit … soll ich es sagen, oder lieber nicht? … zwei Weihnachtskugeln heraus. Männo, endlich grüne Kugeln, wie ich sie mag! Da musste frau doch … nein, ich entschuldige mich nicht … glücklich ihren Einkauf hinaus tragen! YES! Weihnachten kommt, bestimmt!
Zuhause angekommen bekam Katerchen seine nächste Wärmepackung!

Mitte der Woche, wieder in Tübingen, versuchte ich das beste aus ein paar freien Minuten zu machen. In unmittelbarer Nähe zum Universitätsklinikum auf dem Berg liegt der Botanische Garten Tübingen, den ich immer besuchen möchte, um dann wieder am Neckar zu landen. Zum Neckar reichte mir die Zeit an diesem Tag nicht, da ich pünktlich zu einer Konferenz in der Schule sein musste. So blieb ich auf dem Berg und versuchte mein Glück im Botanischen Garten.
Frage an den ersten Gärtner, dem ich begegnete: Gibt es hier einen Lebkuchenbaum?
Antwort: Ja.
Belohnung: Lebkuchenbäume entdecken.
Zwar waren beide Exemplare nur noch wenig belaubt, aber der Duft!!

Nach so schönen, fast gestohlen gefühlten Momenten kam die Realität.

Konferenz, Besprechung, Corona-Zahlen, örtliche Inzidenz, als Art Schwimmprüfung mit Hindernissen im Schulalltag. Verordungen, Hören-Sagen von geschlossenen Klassen an anderen Schulen in der Nähe, SchülerInnen in Quarantäne Vorbereitungen für einen möglichen Lockdown, und Wegfall der Garten-AG.
Schlechte-Laune-Stunden.

Dagegen half ein wenig Werkeln in der privaten Küchenwerkstatt. Der Vorrat an Gemüsebrühe (Rezept) wurde aufgestockt. Mit einer heißen Tasse Brühe sieht die Welt schon viel besser aus.

So motiviert tat es gut einen Schwung gesponnener Wolle ins Entspannungsbad zu legen. Während ich die Wolle zu Strängen wickelte, reiften Ideen in meinem Kopf, was ich daraus machen könnte. Ende der Woche beginnen zudem die Herbstferien. Keine Reise zu meiner Freundin in Katalonien, wie gewöhnlich. Traurig. Aber in einen Flieger setze ich mich momentan nicht. Eine Autotour durch Frankreich muss auch nicht sein. Ansonsten stehen die Menschen an der Costa Brava kurz vor dem nächsten Lockdown mit Ausgangssperre, außer dem Weg zum Arzt, in den nächsten Supermarkt und zur Apotheke.
Ich musste auf positivere Gedanken kommen!
Flug- und Mietwagenkosten gespart könnte doch eine Anschaffung im Budget sein, für eine größere
Belohnung in Tagen wie diesen? Gedacht, bestellt und schon ist sie auf der Reise zu mir. 😀

600 g Wolle aus einem Skudden-Vlies

Eine andere Belohnung bzw. Bestellung lag keine 24 Stunden nach einem schönen Telefonat bei mir vor der Tür. Da auch der Mittelalter-Weihnachtsmarkt in Esslingen in diesem Jahr nicht stattfinden wird machte ich mich im Internet auf die Suche nach mir lieben Händlern. Von der mir geschätzten Seifensiederin habe ich nun die Vorräte, ohne Weihnachtsmarktflair, an Seife aufgefüllt. Wunderbar, die Nase in den Karton zu drücken!

Blieb die Versorgung des Schulgartens, der langsam auf den Winter vorbereitet werden sollte. Glücklicherweise hatten die kleinen schwierigen Jungs, als homogene Gruppe für solche Aktivitäten zugelassen, Lust auf Gartenarbeit. So wurden zumindest die Kartoffeln im alten Schulgarten geerntet und die Tomaten zur Nachreife gepflückt, bevor das Kraut auf dem Kompost landete. Das Timing war perfekt, denn kaum fertig setzte Regen ein.

Endlich letzter Schultag vor den Herbstferien, der noch einmal die gesamte Bandbreite an Emotionalität unter klein und groß bot.
Die Maskenpflicht auf dem kompletten Schulgelände, drinnen wie draußen, macht das Unterrichten nicht leichter. Die Dauerschwätzer reagieren beleidigt, weil sie sich garantiert (ich schwör) nicht mit dem Nachbarn unterhalten haben und ich das Reden ja auch nicht gesehen hätte. Wie auch?
Das Stimmchen einer Schülerin, das in aller Schüchternheit nur bei Stecknadelfallhörstille für alle erlauschbar ist, wird durch die Tuchschichten so gedämpft, dass die Verständlichkeit noch eingeschränkter ist.
Daneben die positiven Seiten. Ich schaffte es so tatsächlich zum ersten Mal in meiner Schullaufbahn die Zeit zwischen Sommer- zu Herbstferien ohne Rüsselpest zu überstehen!
Hygiene bringt was, wie auch SchülerInnen erkennen. Ein Schüler beschwerte sich nämlich über seine stinkende Maske, worauf eine Schülerin ihm entgegnete: „Schon Schei*e, wenn du deinen Mundgeruch selber riechen musst. Dagegen hilft Zähne putzen! Täglich!“.

Ich freue mich auf die wenigen freien Tage! Der Wecker ist abgestellt und ich bin gespannt was meine innere Uhr damit machen wird, vor allem weil am kommenden Wochenende noch die Zeitumstellung zur mitteleuropäischen Normalzeit ansteht.

Angeschaut. Gelesen. Gehört.

Fast nichts!
Die Zeitungen und Magazine blätterte ich durch, las auch einiges, nur blieb bei mir nichts hängen. Alltagsbewältigung hatte den Vorrang.

Der Oktober ist weltweit Brustkrebsmonat und Brian May hat zusammen mit vier Musical-Sängerinnen (WOMAN) ein starkes Stück zur Unterstützung zweier, führernder Brustkrebs-Charities auf die Beine gestellt: I’m A Woman (mehr Informationen auf der Original-Seite auf Y*outube)

Ursprünglich hatte ich etwas ruhigere Musik im Ohr.

Ich fand die Aufnahme aus Glastonbury schöner, als das Originalvideo, aber auch da dieses ein gewisses Etwas hat kommt es hier.

Ein Lebensjahr endet. Habt ihr gewusst, dass sich ungefähr die Hälfte der Deutschen jünger fühlt und einschätzt als sie sind? Link vom 12.06.2020
Bei mir wechselt die Einschätzung im Tagesverlauf.

Nächste Woche übernimmt mein Bruder mit einem Gastbeitrag den Wochenrückblick. Ich habe Ferien und nehme Blogurlaub.

Schönes Wochenende!
Macht’s gut und bis die Tage,


Verlinkt mit dem Samstagsplausch bei Andrea Karminrot.

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Kommentare

Ich freue mich jetzt auch auf meinen Urlaub.
Cool, wenn den Waschmuffeln dann selber bewusst wird, was sie falsch machen.
Immer wieder bekomme ich auch Lust zu spinnen, vielleicht sollte ich einfach mal eine Freundin um das einfach Spinnrad bitten 😃
Ich hoffe dem Katerchen geht es wieder besser. Und Belohnungseinkäufe sind völlig ok! Mache ich auch manchmal
Liebe Grüße
Andrea

Für den Anfang reicht eine einfache Handspindel, fix gemacht aus einem Holzrad und einem Rundholz. Vielleicht bekomme ich den Blogpost über das Spinnen die nächsten Tage fertig.
Dem Katerchen scheint es besser zu gehen, denn im Katzenklo gab es keine weiteren Überraschungen.
Liebe Grüße,
Karin

Hach, wie ich den ehrlichen Kindermund in solchen Situationen dann vermisse!😂
Ich bewundere dein Durchhaltevermögen! Und die Geduld, die Ohren zu spitzen bei diesen flüsterleisen Mädels ( mein Gehör hat da schon unter Normalbedingungen gestreikt ). Ferien habt ihr also? Bis wann? Ah, dann seid ihr also speziell gemeint mit den geplanten Aktionen der Qu*rdenker zum neunten vor den Schulen?
Toll, deine Blogvertretung! Geniale Idee!
Erhol dich gut, trotz alledem!
Drücker!
Astrid

Es ist eine einwöchige Verschnaufpause. Besser als nichts.
Insgesamt gehen die Kinder größtenteils entspannter mit den Hygienevorschriften um. Sie halten sich besser an die Regeln, als manche Erwachsene, alleine schon im Interesse bloß nicht wieder von zuhause aus arbeiten zu müssen. Deshalb reagierten einige ziemlich forsch, als Flyer verteilt wurden, um sie vor dem Masken tragen zu warnen.
Ja, den Kindermund, der ab und an so treffend klare Worte findet, werde ich irgendwann auch vermissen, die Alltags-Kakophonie eher nicht.
Liebe Grüße,
Karin

In der Erde wühlen tut gut. Schön, dass die Klasse im Garten arbeiten durfte. Es tut ihnen bestimmt gut. Die Corona-Geschichte macht was mit den Kindern und Jugendlichen. Das gibt ein Nachspiel für alle Menschen. Nun erhol dich erst mal. Die Zeichnungen sind sehr schön! Ich hoffe, sie dürfen im Schulzimmer hängen.

Liebe Grüsse zu dir. Regula

Ich musste sehr schmunzeln über deine Suche nach dem Lebkuchenbaum. Vorletzte Woche hatte ich wirklich Glück, dass er im vollen Goldkleid stand, diese Woche war er schon teilweise entblättert. Aber es ist ja das welke Laub, das duftet. Und so kann man ihn schon von weiten erschnuppern.
Hoffentlich geht es dem Kater bald wieder besser. Wir griffen diese Woche zum Dinkelspelzkissen für den Hund.
Ich bin mir sicher, dass diese Zeiten auch Positives für die Kinder bringt. Gestern beim Skype-Homeschooling über den großen Teich staunte ich über das mittlerweile angesammelte Wissen über griechische Mythologie. Die Große saugt das vom Skypen, Lesen, CD etc. so ein, dass es fürs College reichen müsste… (Opa unterrichtet in Geologie…, die Eltern in den Grundlagenfächern) Keine Sorge, Gartenbau und Tierhaltung ist sowieso Alltag 😉
Liebe Grüße
Andrea

Die Suche im Botanischen Garten war ein Versuch, nachdem ich dieses Jahr nicht ein Mal an den Bodensee gekommen bin! Umso mehr freute ich mich über des Gärtners: „Ha, scho! Do drieba. ‚S isch no a klois Stickle Wäg.“ … 😀 Herrlich, der Duft!
Dinkelspelz wäre auch noch eine Idee für Katerchen. Es geht ihm soweit gut, aber er ist Wärmeangeboten seit Montag weiterhin nicht abgeneigt.
Meiner Meinung nach hätte man in diesen sechs Wochen mehr Wege ausprobieren sollen, Schule und Unterricht, zusammen mit den SchülerInnen neu zu gestalten. Stattdessen wurde an vielen Stellen eine Rückkehr zu einer Normalität erwartet, die, am Schreibtisch ausgedacht, mit der Realität nicht im Einklang steht. Hauptsache es kommen Noten zusammen.
Toll, wie ihr Homeschooling gestaltet und nicht nur die Kinder Spaß daran haben! Die heutigen Möglichkeiten wünschte ich mir während der vielen Monate, als meine Große nachoperiert wurde. Doch auch damals funktionierte Unterricht, zwar nur über Telefon und Heftaustausch zwischen Klassenkameraden, sowie ein paar Besuchen von ihren LehrerInnen, aber es klappte.
Wissen aneignen ist wichtig, Kontakte zu Gleichaltrigen sind wichtig. Die Art und Weise, wie beides verknüpft wird, gehört überarbeitet.
Liebe Grüße,
Karin

Das Gemüse wird geputzt, klein geschnitten und roh, zusammen mit Kräutern, anderen Gewürzen, sowie dem Salz, zerkleinert. Das Salz in diesem Verhältnis – 1oo g Gemüse zu 20 g Salz – reicht zum Konservieren. Die Gemüsebrühe, die in diesem Zustand an eine Paste erinnert, fülle ich in Gläser ab. Sie muss nicht sterilisiert oder gekocht werden. Volle Gläser halten sich mindestens ein Jahr. Angebrochene Gläser stelle ich in den Kühlschrank.
Wer will kann die Paste noch im Backofen trocknen um Brühpulver zu erhalten. Aber das ist Energieverschwendung, wenn es später wieder in Flüssigkeit landet.
Probiere es aus. Es lohnt sich!
Viele Grüße,
Karin

Erst Mal Gratulation, wenn ich das richtig gelesen habe. Und einen wunderschönen und erholsamen Urlaub! Hier sind die Herbstferien vorbei und wir hoffen sehr, dass es die Schüler und die Schule weiter so gut schafft.
Natürlich darf man schon Kugeln kaufen, wer sagt, dass das Weihnachtskugeln sind? ☺ Und wenn man ab und an statt einer Reise zu tun, etwas Anderes kauft, ist das auch mehr als in Ordnung!
Hab eine schöne Zeit, trotzdem
Liebe Grüße
Nina

Nächste Woche 😉 psst
Ich werde die freien Tage genießen. Alleine schon den Wecker abstellen zu können ist ein feiner Luxus. Nicht ins Menschenbad zu müssen, ein Segen!
Bleib/t gesund!
Liebe Grüße,
Karin

Suppe kann nur der Anlasser sein, hauptsächlich um privat die schönen Dinge nicht aus den Augen zu verlieren. 😉
An die Schultage bis Weihnachten mag ich nicht denken! Da habe ich meiner Phantasie gerade den schwersten, verfügbaren Riegel vorgeschoben!
Liebe Grüße,
Karin

Es liest sich spannend und heiter in deinem Beitrag. Die Schülerarbeiten sind klasse.
So eine Gemüsebrühe möchte ich nächste Woche unbedingt mal machen, bevor das Maggikraut in der Kräuterecke schlapp macht.
Deine Wolle sieht auch wieder sehr schön aus! In dieser Zeit muss man sich schon ab und zu etwas gönnen. Grüne Weihnachtskugenln? Ungewöhnlich, aber bestimmt sehr, sehr schön. Verrätst du mir den Namen deines Liebelingsgeschäftes ;-)??
Lass es dir jetzt in den nächsten Tagen ganz besonders gutgehen und genieße deine Ferien!
Liebe Grüße
Ingrid

Mit Liebstöckel lässt sich auch super Kräutersalz machen.
Ich mag Punkte, Kugeln, Rundes und wenn sie in einem bestimmten Grün mir ins Auge stechen, ist’s geschehen. 😀
Da ich seit einiger Zeit Stuttgart meide – vor allem wegen der Großbaustellen inklusive S21 – fallen Magazin mit Manufactum als Lieblingsstöberstellen weg. Glücklicherweise öffnete im Sommer nach Abriss und einem Neubau in Sindelfingen wieder Fischers Lagerhaus. Das Konzept ist anders, als im Maganzin. Es geht mehr aus alt mach neu, mit asiatischen Elementen.
Liebe Grüße,
Karin

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