oder …

Schau mal, was da wächst!

Als ich das erste Gläschen mit selbst hergestellten Vogelkirschenmus verschenkte kam als Reaktion: „Uih, Vogel…, das hört sich giftig an!“ und die beschenkte Hand streckte sich nur zögerlich aus.
Daraufhin beschloss ich, ich muss mich für den Baum des Jahres 2010 einsetzen und irgendwann dann noch für die Vogelbeere, die Eberesche. Beide gehören zu den Rosengewächsen und die Vorsilbe „Vogel“ zeigt nur an, dass Vögel diese Früchte mögen. Giftig sind sie beide nicht. Allerdings ist die Vogelkirsche frisch gepflückt schon lecker. Die Vogelbeere braucht, zur Gattung der Mehlbeeren gehörend, etwas Feuer und Zucker unter dem Hintern, um lecker zu werden.

Ein wenig Wissenschaft

Die Vogelkirsche gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Eine wunderbare Pflanzenfamilie, da sie mit den Rosen die Sinne erfreut. Aber vor allem sind die leckeren Früchte dieser Pflanzenfamilie nicht aus unserem Speiseplan wegzudenken. Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Brombeeren, Himbeeren, lecker! Dazu kommen noch all‘ die Früchtchen aus der Gattung Prunus.

Zur Gattung Prunus zählen ungefähr 200 Arten, die hauptsächlich auf der Nordhalbkugel der Erde wachsen. Dazu gehören sowohl die Pflaume (Prunus domestica) mit vielen Unterarten, wie der Pfirsich (Prunus persica), die Aprikose (Prunus armeniaca), die Mandel (Prunus dulcis) und viele mehr.

Damit nähere ich mich langsam an die Vogelkirsche, die ja eigentlich Thema ist. Doch ich musste so lange ausholen.

Fünf Arten der Gattung Prunus sind in Europa heimisch und bis in die Steinzeit nachgewiesen:
Prunus spinosa – die Schlehe, die am häufigsten vorkommt
Prunus avium – die Vogelkirsche
Prunus padus – die Traubenkirsche
Prunus mahaleb – die Felsenkirsche oder Steinweichsel
Prunus fruticosa – die Zwerg- oder Steppenkirsche.

Die Besonderheit, nur die Vogelkirsche und die Steinweichsel wachsen zu echten Bäumen.

Im Hecken- und Schlehengäu zuhause liebe ich die Schlehen, von ihrer herrlichen Blüte im Frühjahr bis zur Ernte im Oktober/November. Die Vogelkirsche entdeckte ich erst jetzt so wirklich, durch meinen 12tel-Blick auf hierundfort (meinem zweiten Blog). Dabei ist ihre Blüte, wie das Herbstlaub unübersehbar und sie hat so viel zu bieten!

Ein Steckbrief

Die Vogelkirsche (Prunus avium) kann wohl als Mutter der Süßkirschen bezeichnet werden. Den Zusatz „Vogel“ erhielt die Wildkirsche durch die Vorliebe vieler Vögel für diese süßen Früchte. Es wird vermutet, dass der schwedische Naturforscher Carl von Linné aus diesem Grund dieser Baumart den Zusatz avium vom lateinischem avis, das Vogel bedeutet, gab. Ich beobachte allerdings keine besondere Vorliebe der Vögel für genau diese Früchte. Die Vögel an meinem Katzenkino stehen eher auf Felsenbirnen und Sanddorn.

Vogelkirschen erreichen etwa eine Höhe von 25 m und werden ca. 80 bis 90 Jahre alt, unter geeigneten Bedingungen noch viel älter.

Die Vogelkirsche braucht Licht und wächst bevorzugt in lichten Wäldern, an Waldrändern, aber auch in freier Landschaft. Eine Besonderheit sind Kirschbaum-Alleen, wie ich bei meiner Recherche herausgefunden habe, die sich jedoch eher in ländlichen Regionen erhalten haben.
Als Vogelschutzgehölz von Vogelfreunden eh schon geliebt, schätzen Imker die Vogelkirsche im Frühjahr, vor allem wenn sie frei steht. Mit bis zu einer Million an Blüten pro Baum bietet sie Nahrung für viele Bienen, Hummeln und andere Insekten.
Im Gegenzug ist die Vogelkirsche recht genügsam. Sie stellt keine großen Ansprüche an die Böden und an vorhandene Feuchtigkeit. Sie schafft es sogar auf Schuttflächen zu wachsen. Mit Hitze und Trockenheit kommt sie gut zurecht, was im Zuge des Klimawandels interessant ist.

Typisch ist die Borke, die einen Kirschbaum leicht identifizieren lässt. Die Rinde ist meist glatt, graubraun und leicht glänzend. Deutlich zu sehen sind quer verlaufende Ringel, sogenannte Korkwarzen. An diesen Stellen löst sich die Rinde in Streifen und ringelt sich an den Enden ein. Mit zunehmenden Alter entwickelt die Vogelkirsche eine „echte“ Borke an den dicksten Stellen des Stammes.

Die Blüte beginnt Ende April und dauert in den Mai hinein. Auf den kurzen Seitentrieben des Vorjahrs öffnen sich aus eiförmigen, manchmal spitzen Knospen Büschel an weißen Blüten an langen Stielen. Erst danach erfolgt der Blattaustrieb.
Kirschbaumblätter sind meist dünn und häufig hängen sie schlaff herab. An einem kurzen Stiel sitzt das Blatt umgekehrt eiförmig und läuft lanzettlich zur Spitze aus. Die Blattränder sind grob gesägt. Im Herbst färben sich die Blätter rot oder gelb.
Im Juli können dann die Kirschen geerntet werden. Anfangs leuchten die Früchte hellrot und können schon gegessen werden. Im Laufe des Juli reifen die Vogelkirschen zu schwarzroten, prallen Leckerbissen für Mensch und Tier! Mit einem Durchmesser von etwa 1 cm sind sie deutlich kleiner, als die gezüchteten Verwandten, doch mit ihrem leicht bittersüßem Aroma einzigartig!


Wie die Kirsche zu ihrem Namen kam und die Zuchtformen zu uns

Es sind natürlich wieder die Römer mit im Spiel. Der Legende bzw. der Geschichte nach brachte der römische Feldherr Lucius Lucinius Lucullus – der Name hat Programm – 74. v. Chr. die Kirsche vom Südufer des Schwarzen Meeres von einem Feldzug nach Rom. Dort probierte man seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. aus der bekannten Vogelkirsche ertragreichere Bäume mit süßeren Kirschen zu züchten. Ob die Stadt Kerasos dort ihren Namen der Kirsche gab oder die Kirsche ihren Namen der Stadt ist unklar.

Ich zitiere:
Das lateinische Wort cerasus– Kirsche, Kirschbaum leitet sich vom griechischen κε′ρασος (kérasos) ab. Die griechischen Gelehrten und Ärzte, beispielsweise Theophrast, verstanden unter kérasos aber nicht nur die verschiedenen Wild- und Kulturformen des Kirschbaumes, sondern auch andere Gewächse mit kirschen-ähnlichen roten Früchten. (1)


Unbestritten ist, dass die Kirsche schnell zu einer beliebten Obstart der Römer wurde und Legionäre sie mit nach Gallien und Germanien nahmen. Später empfahl Karl der Große den Anbau der Kirschen in Klöstergärten und auf Landgütern.

Die Vogelkirsche in der Heilkunde

In der Naturheilkunde findet die Kirsche wenig Verwendung. Früher wurden zum Beispiel die getrockneten Kirschstengel aufgekocht und der Aufguss Kindern zum Schleim lösen bei Husten verabreicht. Kirschbaumblätter können auch in Kräutertees, zusammen mit Brombeer-, Himbeer- und Erdbeerblättern, gemischt werden. Mit der Rinde wurde versucht Fieber zu senken. Das bei verletzter Borke austretende Harz, das Katzengold oder Kirschgummi, löste man in Wein auf und trank es als Hustenmittel.
Vor allem versprach man sich vom Saft und dem aus den Früchten gebrannten Kirschwasser Linderung von körperlichen Beschwerden und Heilwirkung. Kirschsaft soll blutbildend wirken und positive Eigenschaften bei niedrigem Blutdruck haben. Kirschwasser soll für beinahe alles gut sein, äußerlich und innerlich verabreicht. Sicher bringt es der Schwarzwälder Kirschtorte das unvergleichliche Aroma, macht sie aber nicht bekömmlicher. 😉 Als wahres Wundermittel wird immer wieder einmal Kirschwasser mit Salz gepriesen. Meine schmerzenden Glieder kommen jedoch besser mit einem Kissen zurecht, in dem ich gewaschene und getrocknete Kirschkerne fülle. Das kann mir je nach Bedarf, Kühlung oder Wärme geben.

Mythologie, Legenden und Bräuche rund um die Vogelkirsche und deren Verwandten

Allen voran sind wohl zwei Bräuche rund um die Kirsche bekannt,

„Kirschen schneiden an Sankt Barbara – Blüten sind zu Weihnacht da.“
Der Legende nach lebte Barbara im 3. Jahrhundert n. Chr., als Tochter eines Stadthalters, im heutigen Libanon. Da sie zum Christentum übertrat ließ sie ihr Vater verhaften. Auf ihrem Weg zum Gefängnis soll sich ihr Kleid in einem Zweig verfangen haben, der abbrach. Barbara nahm ihn mit und stellte ihn ins Wasser. Die erste Blüte zeigte sich am Tag ihrer Hinrichtung. Nachgewiesen ist der Brauch unter Christen seit dem 13. Jahrhundert.

Blüten an Barbarazweigen wurden gerne auch als Orakel genutzt.
Junge Frauen schrieben Namen von möglichen Ehemännern auf die Zweige. Öffnete sich die erste Blüte an einem dieser Zweige stand der Zukünftige fest. Blühte es an keinem Zweig, fand keine Hochzeit statt.
In anderen Regionen las man die Knospenbildung als eine Art Jahreshoroskop. Wenn alle Knospen zur Blüte kamen versprach das ein gutes (Ernte-)Jahr.

Copyright Ylva Brinker-Schulz

Den Frühling ohne einen Ausflug mit Picknick unter blühenden Kirschen zu erleben ist für Japaner undenkbar – gab es leider 2020. Normalerweise werden die Kirschblüten-Tage mit Freunden und Familie verbracht, denn die Kirsche steht für Treue und Freundschaft. Den Brauch die Kirschblüte zu beobachten, isakura-gari, leben die Japaner seit ca. 1000 Jahren. Doch so schön die rosa Blüte ist, ein Erntefest kann nicht gefeiert werden. Prunus serrulata ist eine Zierkirsche und deren Früchte nicht lecker.

Rund um die (Vogel-)Kirsche gibt es noch eine Reihe anderer Bräuche und Mythen, von denen ich nur einige auswähle.

Copyright Ylva Brinker-Schulz

Vogelkirschen sollen das Zuhause von Wald- und Baumgeistern sein. Feen und Elfen tanzen in Vollmondnächsten unter deren Baumkronen. Allerdings ist es Menschen absolut verboten sie dabei zu beobachten.

Im alten Griechenland galten die Kirschen als Wohnsitz der Seelen Verstorbener, unter dem Schutz der Göttin Artemis. Als Göttin der Fruchtbarkeit steht sie für Geburt und Neuanfang, doch hält sie Verbindung mit dem Tod und der Unterwelt.

Irgendwo las ich auch von dem Brauch das erste Badewasser eines neugeborenen Mädchens unter einen Kirschbaum auszuschütten. Damit würde es schön werden und sittsam bleiben. – Krass!

Zurück zu den bekanntesten Bräuchen.
Barbarazweige gehören in jeder Adventszeit auch zu meinen Ritualen. Ich weiche meine Zweige nach dem Schnitt für ein bis zwei Stunden in lauwarmes Wasser ein, bevor ich sie in die Vase stelle. Die Freude ist immer groß, wenn sich zu Weihnachten tatsächlich Kirschblüten zeigen.

Die Vogelkirsche in der Küche

Auch wenn unsere steinzeitlichen Vorfahren noch keine Kenntnis über die Inhaltsstoffe der Vogelkirsche hatten, Ausgrabungen zeigen, sie gehörte zu ihrem Speiseplan.

Ötzi hatte Schlehen im Gepäck und Kerne von der Vogelkirsche wurden bei den Ausgrabungen der Pfahlbauten am Bodensee gefunden.

Trotz wenig Fruchtfleisch und viel Kern weiß man inzwischen, in dem wenig Verwertbaren stecken unter anderem neben Vitamin C vor allem Kalium, Kalzium, Provitamin A, Folsäure, Enzyme und, für Rosengewächse typisch, Gerbstoffe.

Und dann pflückte ich doch, nicht nur zum Naschen, fleißig in die immer parate Tüte, Kirschen über Kirschen von der Vogelkirsche, ein Kilogramm. Der Plan war heiß zu entsaften und aus dem Saft Gelee herzustellen.

So begann das Vorhaben auch.

Der Blick in den Tresterkorb nach dem Entsaften machte mich traurig, weil neben den Kernen doch noch viel Fruchtfleisch vorhanden war. Dieses arbeitete ich mühsam heraus. Das lohnte sich!
Nächstes Jahr versuche ich mich am Entkernen vor der Verarbeitung mit Haarnadeln.

Saft wie Mus verarbeitete ich mit Gelierzucker nach Angabe der Hersteller.

Von der Vogelkirsche zur Farbtinte

Wer schon einmal Kirschen entkernt hat weiß, Kirschsaft färbt. Die Verfärbungen auf den Fingern können mit Zitronensaft entfernt werden, aber mir ist erst einmal die Farbe selbst wichtig.

Die Kirschen zerdrückte ich vorsichtig im Mörser – nicht vorsichtig genug 🙁 -und drückte die Tinte durch ein Baumwolltuch aus dem entstandenen Mus.

Mit Zitronensaft, Essig und etwas Natron veränderte ich die Farben etwas.

Kirschsaft ist rot und reagiert auf Papier von diverser Herkunft und Herstellung sehr empfindlich, viel empfindlicher als Tinten aus Rotkohl.
Deshalb kann man sich nicht darauf verlassen, dass der Auftrag der roten Tinte auf einem Stück Papier auch rot bleibt, bis der Farbauftrag getrocknet ist.

Mir gefällt, dass Saftfarbe aus selbst gesammelten Vogelkirschen immer für eine Überraschung gut ist. So zeigen sie ihre Vielfalt – wild, frei, vielfältig, mit einer Fähigkeit zum Überleben.

Mit Kirschgummi kann die Tinte, wie mit Gummi arabicum, gebunden werden. Ich lasse die Tinte in der Regel trocknen um sie später mit etwas Wasser wieder zu lösen.

Kirschholz im Handwerk

Zu guterletzt kann auch das Holz der (Vogel-)Kirsche genutzt werden. Im Biedermeier waren Möbel aus Kirschbaum oder mit Intarsien aus Kirschholzfurnier verziert sehr beliebt. Auch Bildhauer und Drechsler nutzen gerne das Holz der Vogelkirsche, da es eine interessante Maserung mit Helligkeitsunterschieden zeigt. Hier hätte ich gerne meine Spindel aus Kirschholz gezeigt, aber sie scheint unauffindbar. Schade.

Heutzutage wird Kirschholz noch häufig in der Möbelfertigung und im Innenausbau verwendet. Daneben werden Musikinstrumente, wie Xylophone und Holzblasinstrumente damit hergestellt. Meine Besen haben einen Bürstenrücken aus Kirschbaum, denn auch die Besen- und Bürstenfertigung nutzt häufig Kirschbaum-Holz.

Bevor ich noch mehr Informationen finde mache ich für heute einen Strich.

Bis die Tage,


Verlinkt mit „Mein Freund der Baum“ bei Astrid von Le monde de kitchi


Links

Quellen

(1) LWF-Wissen, S. 75, Thomas Janscheck und Alexandra Wauer (2010) – Ein antikes Edelgewächs – Geschichte und Geschichten, S. 2


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Kommentare

Na, da hast du ja viel gefunden! Fehlt jetzt nur noch mein Kinderfoto mit einem Zweig der Vogelkirsche auf dem Schoß und mit total verschmiertem Mund – mein Vater brachte den von einer Waldlichtung mit. Ich habe später die Stelle auch noch mal ab und an aufgesucht und fand es immer komisch, das Obstbäume im Wald stehen ( da stehen doch nur Fichten und Buchen und Eichen. Inzwischen bin ich klüger ). Dein Post ist ja eine tolle Ergänzung zu meinem Zwetschgenbaum. Allerdings bin ich nie so experimentierfreudig wie du. Ich mag die süßen Früchtchen in der Regel nur unbearbeitet ( Zwetschgenkuchen ausgenommen und Schwarzwälder Kirsch ) 😂.
Danke fürs Mitmachen!
Astrid

Ich habe gerne mitgemacht, weil ich eben gerne etwas ausprobiere und die Vogelkirsche so viel hergibt.
Die letzten Kirschen wanderten mit all den anderen Beeren aus dem Garten in einen Crumble für das Familientreffen. Wird sicher auch lecker schmecken.
Viele Grüße,
Karin

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