oder …

Von der gewaschenen Flocke zum Kammzug – Zupfen, Kämmen, Ziehen

Alle Rohwolle ist gewaschen – YEAH! – auch die neu hinzugekommene helle Wolle aus der Herbstschur.

Mich bei Januartemperaturen in den Garten zu stellen um Wolle zu waschen ließ ich, selbst bei ungewöhnlich milden Temperaturen für diesen Monat, doch lieber bleiben. Ich ging nach der ersten Handwäsche in meinem winzigen Bad das Risiko ein die Rohwolle mit der Maschine zu waschen.

Tipp für die Maschinenwäsche von Rohwolle:


Warnung!

Bei feiner Merinowolle oder Edelfasern, wie Kaschmir, Angora, Yak, … auf gar keinen Fall die Waschmaschine benutzen!!!


Für mich steht allerdings außer Frage, die nächste Rohwolle wasche ich wieder von Hand, draußen, mit Sommersonne und Gartenschlauch.

Egal wie das Wetter ist, meine Wolle trocknet ausgebreitet auf einem Stück einer alten Gardine auf einem Trockenständer oder Gitter.

Weiter geht es, wenn die Fasern trocken sind und die Flocken/Locken wieder sichtbar sind.

Zupfen, rupfen und wieder aussortieren

Auch bei der besten Vorbereitung vor dem Waschen zeigt die Wolle noch, wo sich das Schaf gerne aufgehalten hat. Im Vlies aus der Herbstschur fanden sich die wie Kletten wirkenden Samen von Odermennig und Nelkenwurz, hineingekuschelt in die hinterste Ecke einer Wolllocke.

Zudem ist die Wolle durch das Waschen etwas dichter, beinahe verfilzt. Deshalb zupfe ich die Fasern auseinander und rupfe alles heraus, was nicht hinein gehört.
Wolle zu zupfen war ein Broterwerb in Heimarbeit bis ins 20. Jahrhundert hinein, das oft von Kindern übernommen wurde.

Female Peasant Carding Wool, 1875 - Camille Pissarro
Camille Pissarro 1875 Bäuerin beim Wolle zupfen – Quelle

Jetzt könnten die Fasern schon versponnen werden. Mit der Handspindel nehme ich die Wolle in diesem Stadium der Vorbereitung. Besser lässt sich Wolle jedoch spinnen, wenn die Fasern in einer Richtung liegen.

links die gewaschene Flocke, rechts gezupfte Wolle

Kämmen

Damit die Wollfasern nicht kreuz und quer liegen, helfen Kämme um sie in eine Richtung zu bringen. Das wird schon so gemacht, seitdem Wolle, und auch andere Fasern, verarbeitet werden. Kämmler, Wollkämmer, war sogar ein Beruf, der zum Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert ausstarb – Link zu Wikipedia.

Wer einfach einmal das Kämmen von Rohwolle probieren möchte kann dazu einen einfachen Hundekamm verwenden. Den verwendete ich anfangs auch, und auch heute noch für kleine Mengen.

links oben Wollocke mit Odermennig, links unten ausgekämmte Locke

Für größere Mengen lohnt sich die Anschaffung oder Herstellung von Wollkämmen. Mit einem festen Griff und langen, stabilen Kammzinken aus dicken Nägeln, die oft in mehreren Reihen stehen, lässt es sich einfacher und effektiver arbeiten.

So geht es natürlich auch, mit entsprechend langen, angewachsenen „Zinken“.

Ich benutze zwei Wollkämme, von denen ein Kamm idealerweise fest montiert in einer Wollkämmstation ist, die ich mir vor Jahren selber baute. Mit dem zweiten Kamm kämme ich die im ersten Kamm eingehängten, gezupften Fasern aus.

Dabei werden kurze Fasern, Knötchen und restliche unerwünschte Pflanzenteile herausgearbeitet, der Kämmling. Dieses Material verwende ich zum Füllen von Stofftieren, Kissen, aber auch als Kern von Filztieren. Bleibt viel Kämmling übrig bereite ich ihn noch auf einem anderen Weg zum Spinnen und Filzen vor – dem Kardieren. Darüber berichte ich an anderer Stelle.

Ich bin jedes Mal verblüfft wie viel Fasermaterial beim Kämmen in der Restetüte landet und wie schön sich die langen Fasern von Durchgang zu Durchgang sammeln. Drei Mal kämme ich mein Material mindestens von Kamm zu Kamm.

Kammzug ziehen

Liegen die Fasern gleichmäßig kann mit der Herstellung vom Kammzug begonnen werden.
Dazu wird ein kleines Bündel an Fasern gefasst und vorsichtig in eine Richtung gezogen. Die kleinen Widerhaken in den Fasern ziehen die nächste Faser mit. Das ist beinahe wie beim Staffellauf, eine Faser hängt sich an die andere.

Mit der anderen Hand nachgreifen, ziehen, … nachgreifen, ziehen, …

Mit etwas Übung entsteht ein zusammenhängender Faserstrang, der Kammzug. Aus ihm wird später Kammgarn gesponnen.

Dieses Ziehen kann durch die Verwendung einer einem Knopf ähnlichen Scheibe, einer Diz, erleichtert werden. Dadurch wird verhindert, dass beim Ziehen keine seitlich liegenden Fasern mitgenommen werden. Passiert das wird der Strang immer breiter und schwieriger zu ziehen.

Dadurch, dass die Fasern durch ein Loch der Diz-Scheibe laufen, wird genau dieses seitliche Aufgreifen von Fasern verhindert.

Gleichmäßig gezogen wird der Wollstrang immer länger. Gleichzeitig leert sich der Kamm. Bleiben wenig Restfasern zwischen den Zinken hängen war die Vorarbeit optimal.

Jeder fertige Kammzug ist wie ein eigener kleiner Erfolg.
Aber bloß nicht wiegen! Das würde nur frustieren.

Lieber erst einmal das Ergebnis genießen, am besten im Vergleich mit dem ursprünglichem Material.

links die gezupften Fasern, rechts der Kammzug

Bevor ich mit dem Spinnen beginnen kann braucht es allerdings noch viele Kammzüge.

Ich bleibe dran!

In der industriellen Fertigung wäre der Kammzug jedoch noch nicht fertig. Da wären meine Ergebnisse nur eine Vorstufe, denn aus mehreren solcher Stränge würde ein neuer Kammzug gezogen, dann noch einer, bis solche Kammzüge entstehen, wie sie im Fachhandel für Spinnhandwerk zu kaufen gibt.

Meine braune Wolle eignete sich nicht für Kammzüge. Allgemein zu kurzfasrig war der Ausschuss, der Kämmling, sehr groß. Die restlichen Fasern rissen beim Kammzug schnell, selbst bei vorsichtigem Vorgehen. Bei ihr gab ich dann doch nach der ersten Versuchsreihe auf und entschied mich dieses Material für die Fortsetzung zu verwenden.

Fortsetzung folgt hier!

Bis die Tage,

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Kommentare

Ehrfürchtig passt, danach kommt Wertschätzung. Ich habe übrigens „Pelles neue Kleider“ gefunden und beim Blättern wieder an einem Fehler hängen geblieben. Die Aufklärung kommt in der Fortsetzung.
Viele liebe Grüße,
Karin

Wie as dem eher unansehnlichen Urzustand so ein duftiges Etwas wird! Das finde ich schon beim Anschauen ästhetisch. Wie magres sich dann anfühlen? Toller Post!
Gute Nacht!
Astrid

Danke, Astrid.
Ich liebe diese fertigen, fluffigen Puschel! An jedem Exemplar muss ich meine Nase reinkuscheln und tief schnuppern – das. ist. Wolle. Yes! Am liebsten würde ich alle Puschel so lassen, denn beim Spinnen ist Schluss mit fluffig-kuschelig mit Wolle von deutschen Schafen. Bleyle lässt grüßen 😉
Viele liebe Grüße,
Karin

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