oder …
Fortbewegung in der meiner Stadt neu entdeckt un Zeit zum Lesen
Sieben Wochen ohne hatte ich zuerst in die Titelzeile getippt, aber als geklautes Motto für viele Fastenaktionen dann doch nicht für meine durch den Armbruch entstandenen Einschränkungen in Sachen Mobilität abnutzen und missbrauchen wollen. Inzwischen sind es neun Wochen geworden und ich freue mich auf den Tag, an dem ich, im Auto sitzend, mit beiden Händen das Lenkrad fassen kann.
Fakt ist, seit dem 12.03.2016 steht mein Fahrzeug in der Garage. Eine Woche nach Gipsabnahme hatte ich es tatsächlich geschafft das Garagentor zu öffnen um nachzuschauen, ob meine treuen, alten Begleiter noch an Ort und Stelle stehen. Auto wie Fahrrad standen noch dort, wo ich sie abgestellt hatte. Die Fahrradreifen zeigten jedoch beide einen direkten Bodenkontakt, dem ich spontan abhelfen wollte. Der Versuch die Reifen wieder aufzupumpen scheiterte kläglich mit dem saft- und kraftlosen, in manchen Bewegungsebenen noch steifen Ärmchen.
Heute fuhr ich wieder die ersten Kilometer auf den, durch den Feiertag, leeren Straßen. Dabei gingen mir einige Gedanken durch den Kopf. Ich komme zwar leichter raus in die Natur, aber dieser Vorteil an Mobilität zieht den Nachteil von geringeren Kontakten und Begegnungen vor der Tür nach sich.
In der Stadt geht es auch ohne Auto, aber mit ist auch ganz nett
Nach Wochen als Fußgängerin und Nutzerin des öffentlichen Nahverkehrs ziehe ich ein Fazit: So viel Begegnungen mit ehemaligen SchülerInnen und Bekannten hatte ich lange nicht mehr! Sicher, auch im Auto unterwegs fällt der Blick ab und an, während einer roten Ampelphase, auf ein bekanntes Gesicht im Auto auf der benachbarten Spur. Der kurze Ampeltakt beschränkt den Kontakt nur auf ein „Winkewinke“ und ein Handzeichen für’s Telefonieren, will man kein Hupkonzert riskieren. Das war’s dann auch. An der Haltestelle, im Bus oder in der Bahn ist das Zeitfenster größer und es kommt von Haltestelle zu Haltestelle eher zu ein paar Worten und Informationsaustausch. Es kamen einige Neuigkeiten zusammen, Schönes, Lustiges, leider auch die eine oder andere traurige Geschichten rund um verliebt, verlobt, verheiratet, (wie viele Kinder wirst du kriegen), geschieden, tot.
Meinen Helferinnen und Helfern machte ich es oft nicht leicht – als Einzelfrau lebend nahm ich Hilfe erst dann an, wenn ich mir wirklich nicht mehr selbst helfen konnte. Es reichte völlig aus, dass ich in der ersten Zeit eine liebe Nachbarin zum Rollladen öffnen morgens hatte, meinen Friseur wöchentlich besuchte, eine Fußpflegerin suchte, die Familie zum Betten beziehen, Wäsche zusammenlegen und Staubsaugen einspannte und in der Schule immer einen lieben Kollegen ansprechen konnte, wenn ein Brett wirklich akkurat zugesägt werden musste oder ein Gartengerät Reparatur benötigte. Alles andere erledigte ich selbst oder es blieb liegen. Durch die Wohnzimmerfenster sehen alle geparkten Autos draußen an der Straße grau aus, müssten mal alle in die Waschstraße. 😉
Viele Wege, die ich sonst mit dem Auto erledigte, werde ich nach den Erfahrungen der letzten Wochen weiterhin mit öffentlichen Verkehrsmitteln gehen bzw. fahren. Ohne lästige Parkplatzsuche bin ich so schneller bei der Post oder auf dem Wochenmarkt.
Keinen Spaß machten mir in diesen Wochen Abendveranstaltungen. Das Hinkommen war in der Regel kein Problem, aber das Heimkommen. Nicht immer fand sich jemand, der mich (wenn ich wollte) nachhause fuhr. Der letzte Bus fuhr wenn die „Party“ richtig schön zu werden versprach, Taxi ist bei Regelmäßigkeit zu teuer, nächtliche Spaziergänge quer durch die Stadt bis an den Stadtrand nicht immer schön. Die Aussicht durch Motorisierung oder Fahrrad wieder flexibel meine Abende und Wochenenden gestalten zu können baut meine Seele auf.
Vor allem freue ich mich auf den ersten gemeinsamen Ausflug mit Konstanze, meiner Kamera. Seit wenigen Tagen reichen Kraft und Geschick in der linken Hand um den Objektivdeckel zu öffnen. Noch fluppt er ab und an wie ein Frisbee in alle Richtungen weg, aber es wird. Doch die Wartezeit, bis Fotografieren in gewohnter Weise geht, verkürze ich mit Lesen.
Ein Lesetipp: Die Luna-Chroniken von Marissa Meyer
Spätestens wenn man alle Magazine und Heftchen in den Wartezimmern durchgeblättert und ge“lesen“ hat bringt man seinen eigenen Lesestoff mit. Auf Empfehlung lud ich mir den ersten Band der Luna-Chroniken, Wie Monde so silbern, auf meinen E-Reader. Die nächsten Bände folgten schnell. Was für ein Spaß, bekannte Märchen in neuem Gewand zu erleben! Da ist es auch einmal egal, wenn manche Charaktere etwas blass rüber kommen – aber allein schon die Idee von Cinderella als Cyborg finde ich der Knaller. Was für ein Kontrast zum Disney-Mädele!
Bis die Tage,
Karin