und …

Erinnerungen an unbeschwerte Stunden

Astrid hatte auf ihrem Blog aufgerufen Geschichten über uns und unser Spielzeug zu teilen. Was für ein schönes Thema!

Den ersten Entwurf für meine Geschichten hatte ich schnell zusammen, doch dann fehlten die Fotos. Hatte ich anfangs gedacht, es reicht diesen oder jenen Schrank zu öffnen und dort liegen die Erinnerungsstücke zum Fotografieren bereit, wurde ich enttäuscht. Im Keller fand ich zwar sofort die Puppenküche. Aber wo der Karton mit der Einrichtung stehen sollte war Leere. ??? . Anderes Spielgerät steht unübersehbar im Regal, im obersten Fach, zu schwer um es alleine herunter zu wuchten. Schade aber auch.

In Kisten, Kartons und Fotoalben bewahrt liegen allerdings, wie ich inzwischen weiß, bei meinen Eltern noch kleine Schätze, von denen ich teilweise nicht mehr wusste, dass sie existieren. Herzensdinge, teilweise über Generationen gerettet, kamen in den letzten Tagen aus Kellerregalen und Schränken ans Tageslicht, liebevoll von meinem Vater verpackt und verwahrt. Ein paar Stunden packten wir aus, freuten uns an den Dingen, lachten über so manche Anekdote. Manchmal kam auch etwas Traurigkeit auf.

Zurück zu den Fakten

1 Den Anfang in Sachen Spielzeug machte mein Bär Ede, den ich von der Mutter meines Vaters bekommen habe, weil ich vor einem Schaufenster „eh,eh,eh“ gemacht haben soll, wo Teddys in der Auslage angeboten wurden. Oma ging, kaufte einen der Bären, gab ihn mir in meinen Kinderwagen und ich pfefferte ihn sofort wieder hinaus. So sagt es die Familienlegende. Ich habe Ede immer noch, völlig abgeliebt, inzwischen als treuen Bewacher und Stütze meiner Flöten und Fineliner.

2 Otto, meine erste Puppe, und das erste Weihnachten im „Westen“

Ich kann mich an dieses Weihnachtsfest nicht erinnern, habe aber noch blasse Erinnerungen aus der Zeit im Flüchtlingslager als Zweijährige, nachdem meine Eltern aus der damaligen DDR geflüchtet sind. Zu diesen Erinnerungssplittern gehört eine meiner ersten Puppen.  Otto war eine Babypuppe mit Löchlein im Mund zum Füttern und Loch am Po zum Auslaufen des von oben verfütterten Inhalts. Ich liebte Otto! Meine Mutter hatte ihr Baby, meinen Bruder, und ich hatte Otto. Ihn konnte ich mit zu meinem Bruder in die Wanne schmeißen, wenn meine Mutter meinen Bruder badete (sie ging garantiert vorsichtiger mit ihrem Baby um!). Otto konnte auch trinken wie mein Bruder und hatte feuchte Windeln. Doch im Gegensatz zu meinem Bruder fing sich Otto in seinem Innern Schimmel ein. Immer wieder stank er zum Himmel. Trotzdem hatte ich überhaupt kein Verständnis dafür, wenn ich Otto ab und an, in der Nacht, in Einzelteilen zerlegt im Badezimmer vorfand. Mein Vater tat sein bestes um Otto zu retten, sein Überleben zu sichern. Ich liebte Otto!

Otto, zweite Puppe von links 😉

Als meine Große sich irgendwann in eine Babypuppe verliebte, just in der Zeit, als ich schwanger mit ihrem Bruder war, zog der nächste Otto bei uns ein, allerdings ohne Versorgungs- und Entsorgungsöffnungen. 😀

3 Anneliese, die Puppe meiner Mutter aus ihrer Kindheit, mit Fluchterfahrung und Schäden aus Weltkriegstagen, hatte eine Paketreise von Ost nach West kurz nach dem Mauerbau auch noch überstanden. Kaum angekommen verlor sie noch einen Finger, durch die Zähne meines Bruders. Trotzdem liebte ich sie weiter und später noch meine Große. Inzwischen hat Anneliese seit Anfang der 1990er wieder alle Finger und auch eine geschlossene Schädeldecke. Die Puppenklinik in Stuttgart reparierte damals die Puppe in einen Zustand, das meine Mutter Tränen in den Augen hatte, als ich Anneliese nachhause brachte. Der Puppendoktor damals wollte Anneliese, da echte alte Zelluloidpuppe, lieber ankaufen als reparieren. Aber NÖ!

links meine Schildkrötpuppe, rechts die meiner Mutter

Wann meine eigene Schildkrötpuppe, Regine, einzog bekommen weder meine Eltern noch ich datiert. Ich hatte sie mir durch meine Spardose selbst zusammen gespart, wie meinen Puppenwagen. Zur Puppe steuerte mein Opa noch ein paar Mark dazu. Was ich toll fand, im Gegensatz zu Anneliese kann sie „Mama“ sagen, wenn sie gekippt wird (auch heute noch). Dass weder Anneliese noch Regine kämmbare Haare hatten, wie die Puppen meiner Spielgefährtinnen, war zwar im Spiel für mich nicht so toll, dafür hatten meine Puppen die beste Garderobe. Immer zum Geburtstag kam das Päckchen von der Oma aus „der Ostzone“, der damaligen DDR, mit neuer Kleidung für meine Puppen.

Nun standen meine Mutter und ich an der Puppenkiste und jede hatte eine Geschichte zu den Kleidchen, Mäntelchen, Hosen und was sonst für eine Puppe hergestellt werden kann: Das Stöffchen war einmal ein Kinderkleid meiner Mutter, das andere ein Rest eines Schlafanzugs, den Oma für uns Kinder genäht hatte.

4 Puppenspiele

Die Freundin, die mich die längste Zeit begleitet hat, lernte ich 1961 über Spielzeug kennen. Ohne Worte, wir beide etwas maulfaul, aus unterschiedlichen Gründen, hatten unsere erste Begegnung auf den Balkons unserer Wohnungen. Ich stand auf dem Balkon meiner Familie, sie auf dem ihrer Familie, wir schauten uns an und waren erst einmal etwas erschrocken. Huch, ein kleiner Mensch, wie ich! Also erst einmal verstecken, vorsichtig nachschauen, huch – die andere ist ja noch da, um wieder in der Versenkung zu verschwinden. Zwischen jedem Abtauchen und Auftauchen erweiterten wir das Programm und stellten unser Spielzeug vor. Ich zuerst Ede, Otto, …  am Ende ging mein neuer Regenschirm zu Bruch, der, vier Stockwerke tief  gefallen, Schaden nahm.

Wir beide verbrachten ganze Nachmittage als Puppenmütter und hatten so unsere Probleme meinen kleinen Bruder in das Spiel mit aufzunehmen. Als Kinder in dieser Zeit drückten wir Mädels dem armen Kerl zum Beginn des Spiels eine Tasche in die Hand: „Küss die Kinder und geh‘ auf Arbeit!“, machten die Tür auf, schoben ihn raus und machten die Tür wieder zu.

Dabei liebte mein Bruder das Spiel mit den Puppen weitaus mehr als ich und genoss es, wenn ich nicht zuhause war.

Übrig geblieben aus dieser Zeit ist ein Kissen aus dem Puppenbett, ein treuer Begleiter auf vielen Reisen. Wenn die Kissen in fremden Betten einmal nicht so vertrauenserweckend sind bleibt die vertraute kleine Fläche als Puffer. Auch im Augenblick ist es wieder unterwegs.

5 Lego – der erste Geburtstag, den ich in Erinnerung habe

Es muss mein vierter oder fünfter Geburtstag gewesen sein, als Plastikbausteine Teil meiner Spielwelt wurden. Ich sehe heute noch vor meinem inneren Auge, wie ich auf die graue Grundplatte einen weißen Baustein drücke. Was war ich begeistert! Leider, leider, leider reichten die Bausteine in dem Geschenkpaket nicht aus für mein Bauprojekt. Doch, kaum vorstellbar heutzutage, man konnte Bausteine nach Typ im Laden um die Ecke nachkaufen, wie zum Beispiel ein Päckchen mit zwanzig Dachbausteinen oder zehn Fenstern oder zehn schwarze Vierersteine. Was liebten meine Freundin und ich die Pflicht Schuhe zum Schuster zu bringen oder abzuholen! Abgesehen davon, dass wir beide den Geruch in der Schusterei liebten, wussten wir doch, in der Nachbarschaft können wir mit unserem bisschen Taschengeld, in der Poststraße, Nachschub für unsere Legobauwerke besorgen.

Diese Bausteine wurden später für meine Kinder mindestens ebenso wichtig. Viele Bausteine reisten zu meinen Nichten und Neffen über den Kanal. Die meisten Bausätze blieben im Ländle, kamen zu einem Namensvetter meines Sohnes, bis auf einige wenige, die im Keller auf neue SpielerInnen warten.

6 Belebte Spielwelt

In der dritten Klasse lernte ich stricken und es zog eine gestrickte Katze in die Spielwelt meines Bruders und mir ein. Für unsere Legoanlagen war diese Mieze zu groß. Leider. Deshalb bekam sie Babys, von mir gestrickt und vor allem gehäkelt. Warum wir all diese Nachkömmlinge „Mixen“ nannten ist mir und meinem Bruder bis heute ein Rätsel. Auf jeden Falle lebten diese Wesen in unseren gebauten Legowelten ihre Abenteuer. Wir bauten Wohnungen für sie, verbanden sie mit Straßen, in denen unsere Matchbox-Autos als Taxis dienten. Leider mussten wir abends unsere Aufbauten immer abbauen, denn sonst wäre kein Platz für unsere Klappbetten gewesen. Kein Problem, wir hatten unser System um am nächsten Tag die Mixen-Welt neu fix neu entstehen zu lassen.

Doch einmal war es ganz anders!

7 Bewegte Spielwelt

Eins meiner schönsten Weihnachten mit Spielzeug bescherte meinem Bruder und mir unser Vater. Über Jahre hatte er sich seinen Traum einer Märklin-Eisenbahn-Anlage Stück für Stück erspart. Aus einem Kreisverkehr wurde irgendwann eine Acht, dann eine Doppelacht. Doch an diesen ganz speziellen Weihnachtstagen bauten wir alle Bauteile durch die ganze kleine Wohnung zusammen. Die Gleise führten durch den Flur ins Wohnzimmer und in unser Kinderzimmer, mit Schleifen in die Küche. Als Passagier, neben unseren Mixen, war unser Wellensittich Daisy immer mit dabei.

8 Kaspertheater

Irgendwann begann meine Oma in die Geburtstags- und Weihnachtspaketen Handspielpuppen dazu zu packen. Wir Kinder waren begeistert, und erkannten von selbst, das wir von unsere Großmutter was ganz besonderes erhielten.

Mein Bruder und ich spielten mit ihnen im Kaspertheater meiner Cousine. Viele Jahre später lernte meine Tochter mithilfe des Kaspers endlich mit 1 1/2 Jahren essen. Weitere Jahre später spielten meine beiden Kinder mit den Puppen, zu denen auch ein Wolf und ein Fuchs gehören. Statt sperrigem Kaspertheater hatte ich aus drei Duschvorhangstangen und Stoff eine Theatervorrichtung gebaut, die in den Türrahmen geklemmt werden konnte.

Wenn ich nur erfahren könnte, wie und aus welchem Material die Köpfe gefertigt wurden!

9 Kinderpost Postfiliale im Kaufladen

Nach langem Grübeln bin ich mir inzwischen sicher, die Kinderpost erhielt mein Bruder als ein Geburtstagsgeschenk und Weihnachten erhielten wir beide ein Erweiterungspäckchen. Auf jeden Fall waren wir im Postspiel beide voll dabei, fanden es allerdings auch voll daneben, wenn die Ware ausging. Wir schnitten und klebten Umschläge, malten Briefmarken und verloren erst einmal etwas die Lust am Postspiel. Alternativ konnten wir mit unserer Cousine und ihrem Kaufladen spielen. War ja so ähnlich. Am Ende eröffneten wir wohl die erste Postfiliale in einem Lebensmittelgeschäft, denn wir verkauften Waschmittel wie Briefumschläge und nahmen auch Pakete zum Verschicken an.

Für meine Kinder baute ich Jahre später einen Bausatz zu einen Kaufladen zusammen, den eine Wohnzeitschrift in einer Vorweihnachtsausgabe angeboten hat. Ich stand neben Schule, Haushalt, Krankenhaus mit meiner Großen, Betreuung meines Kleinen, jede freie Minute im Arbeitszimmer meines damaligen Schwiegervaters, um diesen Laden zusammenzubauen. Das Bestücken mit Artikeln war die nächste Herausforderung.

Es ist das schwere Teil, das ich eingangs erwähnte. Irgendwann darf dieses Erinnerungsstück aufgebaut ans Licht, wie die Teile der Puppenstube.

10 Puppenstube bzw. Kinderküche und ein nostalgischer Nachmittag

Das Äußere der Puppenstube, Kinderküche oder Puppenküche lagerte zwar in meinem Keller, doch die ganze Ausrüstung fand sich bei meinen Eltern. Den Karton mit der entsprechenden Aufschrift und dem dazugehörigem Inhalt packten meine Eltern und ich heute gemeinsam aus. Im Nachhinein wäre es noch schöner gewesen, wenn meine Kinder dabei gewesen wären. Das Sammelsurium ist inzwischen ein Sammelsurium aus drei Generationen:

11 Spielen, einfach so

Häufig benötigten meine Freundin, mein Bruder und ich kein ausgewiesenes Spielzeug. Draußen reichten ein Ball, ein Springseil und vielleicht etwas Kreide für ein Hüpfspiel. Vor der Kirche spielten wir „Hans, dreh dich um“, „Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann?“, „Fischer, wie tief ist das Wasser?“, „Kaiser, welche Fahne weht heute?, … bis uns  – wir waren eine große Kindertruppe – der Küster vertrieb. An der Teppichstange wurde geklettert, geturnt, und ab uns an musste nach einem unglücklichem Absturz auch einmal ein Arztbesuch sein.  Meiner Freundin und mir reichten die Versandhauskataloge um uns eigene Anziehpuppen auszuschneiden. Die Kleidung gab es ein paar Seiten weiter. Wir sammelten ausgediente Gummibänder, knoteten sie zusammen um Gummitwist zu spielen. Wer ein nicht gestückeltes, brandneues Gummiband hatte war King & Queen in einem.

Das liebste Lieblingsspiel war aber ein einfaches Fadenspiel:

Gesellschaftsspiele, Brettspiele, Karten- und Würfelspiele habe ich bewusst nicht erwähnt, auch keine Spiele an Konsolen und dem Rechner. Irgendwie passten sie hier nicht hinein, genausowenig wie das eine oder andere Hobby.

Es hat Spaß gemacht mal wieder in der Vergangenheit zu graben.

Bis die Tage,

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Kommentare

Das erste Foto mit den Kasperlepuppen: Die habe ich auch! Selbst gekauft als Junglehrerin in einem Laden, der Bücher und Spielzeug aus der DDR führte. Ich habe sie immer noch, haben sie mich doch durch all die Schulen meiner Lehrerinnenzeit begleitet. Meine Enkel finden sie zu grotesk, ich mag ihre Machart und die Vielfalt der Figuren.
Diese Erinnerung hat jetzt geradezu deine schönen Geschichten überlagert, was schade ist, denn besonders hat mich berührt, dass du die Reise in die Vergangenheit mit deinen Eltern gemacht hast ( da merke ich dann, wer mir fehlt ). Übrigens hatte ich auch eine Puppe mit abgebissenem Finger, etliche Besuche bei der Puppendoktorin wegen der Schildkrötpuppe usw. Lego gab es für mich noch nicht. Erst meine kleinen Brüder bekamen so etwas Ähnliches, Idema.

Danke fürs Mitmachen! Morgen kommt schon das nächste Thema, dass dir hoffentlich zusagt.
Eine gute neue Woche!
Astrid

Was für schöne Erinnerungen! Toll, dass Deine Eltern noch vieles aufbewahrt haben. Die Kasperlefiguren habe ich bei meiner Aufzählung ganz vergessen. Als ich Deine auf dem Bild liegen sah, fiel mir die Ähnlichkeit zu meinen früheren Figuren auf.
Meine Mutter musste ihre Puppe mit ihren beiden Schwestern teilen, später ist sie auf der Flucht verloren gegangen…. Spielzeug erzählt oft auch Zeitgeschichte.
Liebe Grüße
Andrea

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