oder …

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Dieser Wochenrückblick kommt mit reichlicher Verzögerung, ich weiß. Alle Anzeichen weisen darauf hin, die 13. Kalenderwoche, und ein Itzelchen der 14ten des Jahres, haben weiterhin wenig Chancen mein(e) Liebling(e) zu werden. Meine Schwägerin liegt im Krankenhaus, ich war im Krankenhaus, bei meinem Vater wird weiter untersucht was sein Befinden beeinträchtigt und letzte Nacht bekam meine Mutter keine Luft.

Man möchte meinen, da würden doch als Ausgleich ein paar strukturierte, nach Stundenplan ablaufende Unterrichtsstunden perfektes Erholungsprogramm für angespannte Nerven sein. Pustekuchen,  der Alltag funktionierte ebenso wenig alltäglich in seinen regulären Abläufen. Kranke Kollegen mussten vertreten werden und die 9er präsentierten ihre Ergebnisse der Projektprüfungen.

Aber alles ist für mich persönlich erst einmal wieder gut, denn ich funktioniere noch! Damit dies so bleibt fügte ich in mein Regelverzeichnis zwei neue Punkte ein:

Ich hatte – toll, die Sonne scheint – das Bedürfnis ein paar Frühlingsgefühle kulinarisch zu genießen. Auf meinen Spaziergängen, wie diesem, freute ich mich über den sprießenden Bärlauch. Mir waren diese Blätter noch zu kurz zum ernten und ich kaufte mir ein Bündel auf dem Markt, ist ja auch einfacher und sicherer. Falsch gedacht!

Am Wochenende davor hatte ich in Sachen Kräuterpädagogik, während meines Ausbildungsseminars, das Thema Verwechslungsmöglichkeiten von Bärlauch zu anderen Pflanzen gehabt. Montag arbeitete ich meine Mitschriften durch, schrieb alles ins Reine und dachte mir so meinen Teil, als ich auf den mitgeschriebenen Tipp unserer Ausbildnerin stieß:

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!

OK, diese Redewendung wird laut Wikipedia Lenin zugeschrieben, entstand durch gesellschaftlich-politische Prozesse, aber sie passt für mich jetzt perfekt in den Umgang mit Bärlauch.

Im vollen Vertrauen, wider besseren Wissens und neuen Erkenntnissen, verarbeitete ich meinen gekauften Bärlauch, nur oberflächlich durchgesehen ob etwas angegammelt aussieht, zu Pesto wie all die Jahre vorher im Verhältnis 1-1-1 plus Olivenöl: Bärlauch waschen, abwiegen, hacken. Mandeln passend im Gewicht dazu, Käse passend abwiegen und reiben und Öl dazu. Auf dem Herd köchelten die Spaghetti gemütlich vor sich hin und ich freute mich auf ein feines Abendessen.

Die Pesto roch lecker, doch trotz bissfest gekochter Spaghetti, konnte sie geschmacklich nicht überzeugen. Sie war zu scharf und brannte auf der Zunge, den Lippen und später im Rachen wie Feuer, ganz anders als Chili. Nicht gut. Gar nicht gut. Appetit vergangen. Mund ausgespült und nichts gebracht. Trockenes Brot langsam gekaut und keine Besserung. Nervös geworden war mein erster Gedanke „Giftnotrufzentrale“. Mit meinen zittrigen Bibberfingern bekam ich auf keinem Gerät irgendetwas gebacken. Für „112“ fühlte ich mich zu fit. Doch dann hatte ich das Gefühl, ich muss raus aus meiner Wohnung und ab zu irgendeinem Nachbarn meines Vertrauens. Jacke an, Schlüssel, Handy, das Glas mit der Bärlauch-Pesto (von der ich gegessen hatte) noch geschnappt. An Papiere, Geldbeutel, die Handtasche dachte ich nicht. Vor der Tür fand ich glücklicherweise Beistand; ein ehemaliger Schüler von mir stand mit seiner Mutter auf den Parkplätzen unserer Wohnanlage und er reagierte sofort. Zusammen mit seiner Mutter brachte er mich ins Krankenhaus. In der Zwischenzeit hatte ich Kontakt mit der Giftnotrufzentrale. Während des Gesprächs erinnerte ich mich an meine Aufschriebe vom letzten Kurstag. Alle meine Symptome wiesen auf Aronstab hin, der jedoch nur als junges Blatt zu Verwechslungen mit Bärlauch führen kann. (Das ältere Blatt wird dann eher mit Sauerampfer verwechselt.) Die Dame vom Giftnotruf bestätigte meinen Verdacht. In der Zwischenzeit hatten meine Helfer und ich das Krankenhaus erreicht.

An der Notaufnahme brauchten wir reichlich Geduld, bis überhaut jemand erschien. Die Panikattacke, gegen die ich es nicht schaffte ruhig zu atmen, ließ mich von Kopf bis Fuß zittern. Wahrscheinlich durch Hyperventilation kribbelten mir Zehen und Fingerspitzen. Beim Aufnahmegespräch kam das erste Gefühl von Übelkeit hoch. Ich stellte meine mitgebrachte Probe der Pflegerin hin, die mich daraufhin fragte: „Und was soll ich damit?“ … … … wer mehr wissen möchte was (nicht) geschah, darf gerne per Mail rückfragen.

Hilfreiche Informationen zu Aronstabvergiftung findet man hier und hier. Bärlauch wird vor allem mit Maiglöckchen und schlimmstenfalls mit Herbstzeitlose verwechselt, von denen in dieser Übersicht alle Informationen plus Rufnummern der Giftnotrufzentralen zu finden sind.

Zweieinhalb Stunden später war ich wieder zuhause, mit Übelkeit, untypisch hohem Blutdruck für mich, Brennen im Mundraum und Hals, … ohne Aktivkohle bekommen zu haben, oder etwas zu trinken und auch ohne Empfehlung das zuhause zu machen.

 

Was sonst noch geschah:

Zum Schluss noch eine nette Fundsache im Schulobst, ein siamesischer Apfelzwilling oder Apfelküken, den sich bisher noch keiner getraut hat zu essen 🙂

 

Meinen Nachbarn an dieser Stelle noch einmal tausend Dank!

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Kommentare

Zum Glück mach ich mir nichts aus Bärlauch, sag ich jetzt mal. Der Hype lässt da wohl welche unredlich werden…
Deine familiären Belastungen erinnern mich an die vergangenen drei Jahre in unserer Familie. Pass also gut auf dich auf, alternde Eltern können ein Vollzeitbeschäftigungsprogramm werden, das sich gewaschen hat! ( Gerade erlebe ich es bei meiner Freundin wieder. )
Ich wünsche dir eine bessere 14. Woche!
Astrid

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