oder …

Verirrt in Barcelona

Sechs Stunden Fahrzeit für rund 160 km sollten von Pals nach Barcelona ausreichen, selbst wenn es gebührenfrei nicht über Autovia oder Autopista gehen soll. Tollstes Wetter versprachen eine angenehme Fahrt entlang der N-II (N2), der alten Nationalstraße, die von der französischen Grenze aus über Barcelona nach Madrid führt.
Noch einmal Routensuche ohne GPS und Navi, wenig unterstützt durch unübersichtliche Straßenbeschilderung, nur mithilfe einer Straßenkarte.
Noch einmal ein Stopp in Tossa de Mar um den Parkscheinautomat zu überlisten! HA! Yes! Geschafft!
Noch einmal durch schmale Straßen stromern, altes Gemäuer bewundern.
Noch einmal Küste und Meer sehen und spüren, bevor es nachhause geht.
Noch ein letztes Gläschen Rosado, gemütlich, in der Sonne mit Blick aufs Meer.
Noch ein Fläschchen Wasser mit einer Tüte Chips, vom Discounter, am Strandweg vor Bardalona.
… und dann …
Noch geschafft, gerade so, das Auto abzugeben und die Tasche aufzugeben!
Noch ein Glas Becher Wein mit Blick auf die letzten Passagiere vor mir in der Warteschlange kurz vor Boarding-Schluss auf dem Flughafen El Prat.
Ein Abenteuer lag hinter mir.

Von Pals über Sant Feliu de Guixols nach Tossa de Mar – total entspannt

Ohne Worte.

 

 
 
 

 

 

Getting lost in Barcelona

Mit Worten.

Im Sachen verlieren und sich verirren bin ich Profi. Meine Kinder können Geschichten darüber erzählen! Häufig komme ich damit ganz gut zurecht, finde immer mein Ziel, nutze dazu Kreativität oder den Sonnenstand und habe auf den Umwegen einige richtig schöne Plätzchen entdeckt.

Getting lost is not a waste of time!

Unvergesslich sind meinen Kindern Irrfahrten in England, vor allem eine in London.
Wir waren unterwegs zu meinem Bruder und seiner Familie, die in dieser Zeit in Streatham, im Südwesten Londons wohnte. Bei der Anreise verfehlte ich auf einer der Umgehungstraßen eine Abfahrt und landete irgendwann spätnachmittags zur Feierabendzeit am Crystal Palace. Das wäre mir nicht passiert, wenn ich die Straßenkarte beim Auto packen in der Garage zuhause nicht von hier nach dort gepackt und zuletzt liegen gelassen hätte. Orientierungslos rief ich meine Schwägerin an, in der Hoffnung sie kann mir erklären wie ich von hier zu ihnen kommen kann.
Ganz so einfach war das jedoch nicht.
Selbst wenn sie ihre zwei kleinen Kinder ins Auto gepackt hätte wäre sie zu dieser Tageszeit eine gefühlte Ewigkeit für unsere Rettung unterwegs gewesen und dummerweise schloss der kleine Kiosk am Bahnhof von Crystal Palace kurz bevor ich auf die Idee kam dort eine neue Stadtkarte für London zu kaufen.
Am Ende eines weiteren Telefonats fragte ich einfach nur: „Wenn jetzt um 17:00 Uhr an meinem Standort die Sonne im Westen steht, wo liegt dann Streatham?“ – Antwort: „Im Westen!“
So fuhren wir der Sonne entgegen, bis zum Untergang. Die Kinder hatten die Aufgabe nach bekannten Dingen Ausschau zu halten, was sie auch mit Begeisterung und letztlich erfolgreich taten: „Mutti! Der Park! Der Park!“, „Da ist der Spielplatz!“, „Der icecream shop! Bekommen wir jetzt ein Eis, weil wir den entdeckt haben?“, „Sainsbury’s!“! Tolle Navi-Kinder. Den Rest des Wegs fand ich dann alleine ! 😉

Allerdings kommt an dieser besonderen Art der Stadtrundfahrten nur dann Freude auf, wenn einem kein Zeitdruck im Nacken sitzt, der Tank voll ist, man nicht in einer Sackgasse landet und es draußen noch hell ist!

In Barcelona war alles anders.
Ich war spät dran, die Sonne ging unter, der Tank war fast leer. Einzig die Sackgasse blieb mir erspart. Dafür stehe ich bei dieser Tour unverhofft an der Casa Batlló und hätte so gern einfach das Auto abgestellt und die Gegend erkundet!

Doch dazu war es zu diesem Zeitpunkt einfach zu spät.

Dieses Mal wurde Verirren anstrengend und egal was ich versuchte, es lief richtig blöd!

Es fing an als ich in Bardalona um 16:30 Uhr feststellte, die Straßenkarte mit der geplanten Route durch Barcelona fehlt! In Tossa hatte ich sie noch. Tja.
Richtig nervig wurde es als es langsam dunkel wurde.
Richtig unter Druck stand ich, nachdem ich irgendwann in einem Kreisverkehr die falsche Ausfahrt gewählt hatte, es 17:30 Uhr war, eine halbe Stunde vor Abgabetermin vom Auto am Flughafen, und ich immer noch irgendwo in den Straßenschluchten Barcelonas irgendwie im Verkehrsstrom mitschwamm. Tja.
Einbahnstraßen-Straßendschungel, mehrspurig, spärlichst beschildert und kein Piktogramm für den Flughafen weit und breit zu sehen. Tja.

Es wurde eng, verflixt eng.

Nach einer Stunde Irrfahrt ohne ein Schild mit einem Flugzeug darauf zu sehen, das zum Flughafen leitete, endlich ein bekannter Name auf einem Verkehrsschild, „Sants“, ein Stadtviertel mit einem großen Bahnhof. An einem Bahnhof stehen Taxis. Taxifahrer kennen sich aus. Rettung!
Mein Plan war ein Taxi anzuheuern um mich bis zur nächsten Tankstelle auf direktem Weg zum Flughafen eskortieren zu lassen.
OCH, NEE, Einfahrt verpasst! Ich fluchte alle mir bekannten Flüche in Rekordzeit ab, sah links von meinem Augenwinkel ein Taxi, blieb an der Ampel trotz grünem Licht stehen, ließ das Fahrerfenster runter, lehnte mich raus und signalierte hektisch gestikulierend einem Taxifahrer irgendwelche Zeichen. Irgendwie interpretierte er diese Signale total richtig als „Notstand“  (oder er wollte sich die Vorstellung, wie eine Bekloppte versuchte aus dem Fahrerfenster zu hechten, komplett anschauen), hielt auch an und blockierte damit die andere Spur.
Ich: „Airport?“
Taxifahrer: (es klang wie …) „Huch!“
Ich: „Which way? (ich zeigte auf den Kreisverkehr) First right, second right, straight, ….?“
Taxifahrer: (es klang wie …) „Häh?“
Ich: „Please!!! I’m lost! Airport?“
Es hupt um uns herum ohne Ende!
Taxifahrer: „Right, primera (… verstand ich nicht … ), then bridge.“
Ich: „Primera right or left (ich wedelte meine Hände)?“
Taxifahrer deutete auf meine linke Hand.
Das Hupkonzert steigerte sich. Die Ampel wurde rot! Zeit gewonnen! Ich vergewisserte mich noch einmal: Erste rechts, erste links, dann müsste eine Brücke kommen und „then easy!“
Es wurde wieder grün und unsere Wege trennten sich. Aufatmen, bis zum ersten linken Abzweig.
Nee, oder?
Gesperrt!!
Mannomann aber auch. Schnell denken. Nichts war’s mit „then easy!“. Ich bog die darauffolgende Straße links ab und wünschte mir schon auf den ersten Metern genau DAS nicht getan zu haben. Einspurige Straßenschlucht. Miniaturbürgersteige rechts und links.
An der nächsten Querstraße sah es rechts und links genauso aus. Also geradeaus weiter, bloß nicht abbiegen. Die nächste wieder, die darauffolgende auch, danach noch einmal, noch einmal, noch einmal und eine Ampel. Was tun? Links oder rechts? Von links hatte ich genug und nahm rechts, landete nach kurzer Zeit wieder in einer Einbahnstraße, aber zweispurig. Ein Fortschritt. Der Verkehr geriet ins Stocken. Ein Rückschritt. Aber auch die Chance die Brille herauszuholen um vielleicht ein Internetpaket zu laden, damit ich den Navi aktivieren kann, damit ich Spanien dazubuchen kann, damit ich vielleicht noch mein Flugzeug erreiche. Bloß bei dem miesen Licht nach Sonnenuntergang war diese Aktion mitten im Verkehrsgeschehen extrem schwierig zu bewerkstelligen. Dann doch lieber wieder Passanten ansprechen. Fenster runtergelassen, aus selbigem herausgelehnt und einen jungen Mann angesprochen:
Ich: „Airport?“
Er: (ein déjà-vu, es klang wie …) „Huch!“
Es war 18:15 Uhr. Eine Viertelstunde nach Auto-Abgabetermin auf dem Flughafen. 50 Minuten vor dem Boarding. Ich war immer noch IN Barcelona!
Ich wiederholte mich: „Airport? Please!“
Der junge Mann lief dann im langsam wieder fließenden Verkehr neben meinem Auto mit, suchte nach englischen Worten, fragte dann andere Passanten, sagte dann, dass er glaubt am nächsten Kreisverkehr zu wissen, wie es weiter geht. Also packte ich den Burschen auf meinen Beifahrersitz für die nächsten 500 m. Am Kreisverkehr ging es eine der vielen Straßen links ab und mein Guide stieg aus:
Er, mit den Händen geradeaus wedelnd: „To the big circle! BIG circle! Sign airport!“
Ich: „You’re sure with a sign?“
Er: „Sure. Sign. Circle. BIG!“ und er macht Zeichen für einen großen Kreisverkehr. Mit jedem neuen Ansatz mir zu zeigen, wie groß der Kreisverkehr ist, wurde der Kreis größer und größer! Bevor der Kreis noch größer wurde verabschiedete ich mich von dem jungen Mann.
Der Kreisverkehr kam tatsächlich, auch das Schild zum Flughafen. Alles war wirklich groß und unübersichtlich und ich natürlich auf der falschen Spur. Was sonst?
In diesem Moment erinnerte ich mich an die Instruktionen meiner Schwägerin für den Straßenverkehr in der Londoner City: „Keine Unsicherheit zeigen! Abstand zu den anderen Autos nur so viel halten wie unbedingt nötig! Und durch! You understand? Be aggressive!“. So ging ich jetzt vor, mit Blick auf das Flughafenschild, Spuren gewechselt und ab auf die Schnellstraße! Woohoo! Es hatte nicht einmal ein Auto gehupt! Licht am Horizont! Wieder ein Schild in Richtung Flughafen und eine Tankstelle.
Es wurde 18:30 Uhr. Voll getankt. Das Auto war bereit zu Abgabe. Alles wird gut, redete ich mir ein und war 18:40 Uhr tatsächlich kurz vor dem Flughafen. Fünf Minuten später hatte ich das Auto abgestellt und wartete auf die Ab- und Übergabe, langsam abatmend, dumdidumdidum, Däumchen drehend in einer Warteschlange, in der es nicht voran ging. Sollte meine Abreise im letzten Moment an der schleichend langsamen Abwicklung von der Rückgabe des Autos scheitern?
18:55 Uhr hatte ich die Reisetasche aufgegeben, ohne Wartezeit! Drei freie Schalter und egal welche Spur ich genommen hätte, ich hatte freie Bahn ein freies Band für meinen Koffer.
19:05 Uhr lagen die Sicherheitskontrollen hinter mir. Während ich mir Gürtel, Stiefel etc. wieder auf den Körper packte und meine elektronischen Utensilien zusamme entdeckte ich, dass der Bursche bei der Fahrzeugübergabe ein Papier nicht abgerissen und meine Kopie nicht abgezeichnet hatte! Puh! Noch einmal zurück? Nö. Jetzt ist’s egal. Das Boarding hatte noch nicht begonnen und ich dachte mir:
„Nun ein Glas Wein! In aller Ruhe! Abschied von Spanien mit Stresssymptomen geht gar nicht!“
So beobachtete ich in Ruhe den Beginn vom Boarding meines Flugs, trank mein Weinchen, wartete geduldig den ersten „Last Call“ ab, den zweiten ebenso und war trotzdem nicht die Letzte, die ins Flugzeug einstieg.  In der Zwischenzeit nahm ich mir vor, wenn ich schon mit so viel Elektonik-Schischi unterwegs bin:

„Niemals mehr mit dem Auto durch Barcelona ohne Navi oder ähnlichem, wie einem ortskundigem Beifahrer!“

( … obwohl ich mich kürzlich in der Karlruher Innenstadt gerade wegen der Navi-Anleitung ordentlich verfranst hatte) 😀

Bleibt in der Spur und kommt immer gut an!

Bis die Tage,
Karin

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