oder …

Weitermachen und Neues ausprobieren

Es begann spontan. Der Flachs 2025 war fast schon überreif, beim Ernten nicht zu überhören. Die Samen in den Kapseln rasselten beim Raufen (Herausziehen der Pflanzen, samt Wurzeln) um die Wette, denn Flachs wird nicht geschnitten.

Damit ist der Flachs jedoch noch nicht fertig zum Verarbeiten.

Erst muss er kontrolliert (an)rotten, wozu er in der Regel an Ort und Stelle einfach liegen gelassen wird. Ich packte das Bündel auf meine Wiese.

Dort trocknete der Flachs zuerst in der Sonne, wurde nachts feucht durch den Tau, trocknete wieder … optimale Verhältnisse. Dann kam der Regen, wodurch die Fasern tagsüber keine Chance hatten durchzutrocknen, bevor der nächste Regen einsetzte. Das veranlasste mich den Flachs vorerst in den Schutz der überdachten Veranda zu verlagern.

Nun bin ich nicht die Geduldigste, vor allem wenn keine Fortschritte zu sehen sind, die ich aktiv begleiten kann. An dieser Stelle kamen mir die paar Flachsstängel aus der Ernte 2024 in die Hände. Für diese hatte ich, bis auf das Entfernen der Samenkapseln im April 2025, weder Zeit noch Muße zur Weiterverarbeitung. Aber jetzt!

Leinsamen geriffelt – April 2025

Meine Sorge, dass sich die Fasern nach Monaten des Abwartens nicht mehr aus den Stengeln lösen lassen, wie es bei Brennnessel oft der Fall ist. Aus unverarbeiteten Brennnesselstengeln aus dem Vorjahr lässt sich keine Faser mehr gewinnen. Die können nur noch auf den Kompost, denn sie zerbröseln unter der Hand. Aus dem Grund stehen meine Brennnesseln noch im Garten, denn es ist besser sie bei Bedarf zu ernten.

Zurück zu meinen Flachsstengeln, an deren Fasern ich heran wollte.

Die Grundzüge der Faserherstellung aus Flachs im Kopf suchte ich mir in meiner Gartenhütte brauchbare Werkzeuge zusammen. Es wird etwas zum Klopfen benötigt, etwas zum Streichen, etwas zum Kämmen, … kein Problem. Was fehlt(e) war ein Gerät zum Brechen der Stengel. Die Lösung kam bei der Arbeit auf dem Hackklotz. Der hat bedauerlicherweise einen Riss an einer Stelle, der sich hoffentlich nicht vergrößert. Gleich dahinter lagere ich noch einige übriggebliebenen Nut- und Federbretter einer ehemaligen Werkzeugkiste. Und die Federn im Holz schienen mir gerade richtig in Form und Größe für den Spalt im Klotz.

erst die Stengel flach klopfen …
… dann brechen und hecheln (kämmen)

Das alles ist reichlich aufwendig, macht viel Abfall und am Ende bleibt ein Puschelchen Faser übrig. Trotzdem eine große Wonne – eigener Lein!

mit dabei, eins von Vaters alten Kittmessern – super zum Ausstreifen der Fasern

Vom Ehrgeiz gepackt wollte ich den Prozess optimieren und mir zuerst eins der Nut- und Federbretter zu einem hölzernen Flachshackmesser zurecht“schnitzen“. Statt Schnitzmessern nahm ich mir lieber das schnellere Elektro-Equipment zur Hand.
Leider lief die Faserherstellung dadurch nicht besser, der Ausschuss ist einfach zu groß, dass ich die gebrochenen Stengel erst einmal beiseite legte.
Zum Spinnen reichte meine Ausbeute an Fasern nicht, aber zum Schnüre drehen allemal. Am Ende zwirbelte ich an einem Abend reichliche dreieinhalb Meter feine Leinenschnur zusammen.

Werkstatteinblicke

die Essigbaumblätter (rechts) sammelte ich für einen Tintenversuch

Gartenzeit

Ansonsten

Ohrwurm der Woche

Es lief Bon Jovi kurz vor der Fertigstellung des Blogposts im Radio, dann soll es so sein …

Vielen lieben Dank an diejenigen, die mich auf verschiedene Art noch durch Hilfe, Unterstützung und Anteilnahme über Wasser halten! Montag sind es dann schon vier Wochen ohne Vater. Er fehlt mir!

Macht’s gut, bleibt gesund und bis die Tage


Verlinkt mit dem Samstagsplausch von Andrea Karminrot.

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Kommentare

Wie du dich versenken kannst in solche Tätigkeiten, die mir geradezu archaisch vorkommen! Dass dieser Wundverschluss bei Zwetschgen einen Klebstoff abgibt, wusste ich auch nicht. Ich wünsche dir weiterhin eine geruhsame Zeit voller Tätigkeiten, die dir liegen!
Sonntagsgrüße!
Astrid

Für mich ist das Tun mit meinen Händen gerade der einzige Weg, mich von einigen Dauergedankenspiralen auszuklinken. Schlafen hilft nicht, da kommen die Träume. Spazieren gehen hilft auch nicht, viele Wege sind voller Erinnerungen. Neues auszuprobieren schaltet die Quälgeistsynapsen ab und das tut gut!
Viele liebe Grüße, von Herzen
Karin

gerade vorhin bei freunden gehört, dass dieses jahr fast die gesamte tomatenernte krautfäule hat und zu nichts mehr zu gebrauchen ist. so schade! aber wenigstens konntest du noch einen teil ernten – sie sehen sehr lecker aus.
deine flachsschnur finde ich so schön, weiß aber auch wie aufwändig die herstellung von leinengarn ist. in einem museumsdorf gab es mal eine ausstellung „vom flachs zum leinen“ mit vorführungen. sehr spannend, aber eine mühselige arbeit. da bekommen meine alten leinenstücke gleich noch viel mehr wert für mich.
was machst du mit dem pflaumen-gummi arabikum?
liebe grüße und einen guten einstieg in den september!
mano

Eimerweise Feld- und Gartenfrüchte entsorgen zu müssen tut weh! Ich überdenke gerade meinen Anbauplan, aber bei uns kamen die fatalen Sporen mit dem Wind aus einem Nachbargarten, der die vergangenen Wochen keine Betreuung hatte.
Flachsverarbeitung und Leinenherstellung ist wirklich harte Arbeit! So viele Schritte, die das Erntegut durchlaufen muss, bis die Faser, das Garn und schon gar der Stoff entstehen kann! Ich horte noch Aussteuer-Leinen, das meine Ex-Schwiegermutter von ihrer Großmutter (handgearbeitet!) erhalten hat.
Zwetschgen-Gummi ist fast farblos, klar und verändert nicht den Farbton der Pflanzentinte beim Hinzufügen.
Viele liebe Grüße
herzlichst Karin

Liebe Karin,
Du schreibst so schön, bei manchen mir auch aus der Seele.
Ich bin Leinenmessy, habe einen EtsyShop (LeinenfrauMaK) und Liebe und schätze dieses Material sehr.
Dank deines Betrags habe ich noch mehr Hochachtung vor der mühsamen Arbeit unserer Vorfahren.
Mach weiter so und Zeit heilt alle Wunden. Ich musste mich letztes Jahr auch von meiner Mutter für immer verabschieden.
Ganz lieben Dank für Deine tollen Beiträge.
Liebe Grüße Margarete

Liebe Margarete,
danke für deinen Kommentar! Er tat meiner Seele gut!
Leinen, vor allem altes, schon gebrauchtes sind so feine Stoffe! Ich liebe die alten Geschirrtücher aus der Aussteuer meiner Großmutter und meiner Schwiegermutter. Anfangs brechhart nach der Wäsche, werden sie mit der Benutzung immer weicher. Da kann neues Leinen oft nicht mithalten.
Diese Arbeit, die hinter dem Prozess der Herstellung steckt ist wirklich immens, selbst mit modernen Hilfsmitteln. Auch ich ziehe den Hut vor den Anstrengungen unserer Vorfahren.
Ich werde deinen Shop im Auge behalten.
Viele liebe Grüße
Karin

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